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Nicht widerspruchslos

■ Fristlose Kündigung des Chefdramaturgen in Köln

Krach gibt es bekanntlich in den besten Familien, und daß in jedem Theater die notorisch hierarchischen Strukturen diesen Familienmitgliedern mächtig aufs Gemüt schlagen können, wer wüßte das nicht. Einer Festung gleich — und auch hier im Kunstbetrieb mit allerhand vorauseilender Selbstzensur ausgestattet, z.B. leicht irritierbare Menschendarsteller — dringt manches an erlittener Bosheit aus einem Stadttheater nicht nach draußen. So weit, so fragwürdig, generell.

Anläßlich eines Bühnenschiedsgerichtsverfahrens am 5. Februar lassen sich nun manche unheilen Interna aus dem Kölner Schauspiel nicht länger verheimlichen. Auch wenn die meisten der Erniedrigten und Beleidigten sich nicht zu reden trauen, ist durch folgenden Fall vielleicht ein Anfang von „Glasnost“ gemacht.

Im Kölner Schauspiel spielen sich seit Beginn der Intendanz Krämer kleine Farcen und größere Dramen ab: zwischen der sogenannten Chefetage — einem Triumvirat, bestehend aus Intendant Günter Krämer, seinem Oberspielleiter Torsten Fischer und seiner Oberreferentin Monika Keppler — sowie Schauspielern, Technikern und anderen Mitarbeitern der städtischen Bühne. Das konnte niemandem, der den gefühlsklimatischen Bedingtheiten von Kunstproduktion auch nur etwas Aufmerksamkeit schenkt, verborgen bleiben. Schon die Piaf-Darstellerin Maria Happel wußte ein trauriges Lied davon zu singen und gab ihren Vertrag resigniert zurück.

Die Diskrepanz zwischen den hehren Ansprüchen des Theaters — humanistische Aufklärung, Kritikfähigkeit, Toleranz — und einem überaus rigiden, autoritären Umgangston wurde jetzt im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung des Chefdramaturgen Dr.Ulrich Fischer so richtig plakativ. Der ehemalige Theaterkritiker Fischer (FR) war für teures Geld (monatlich 8.500 DM) vom Intendanten im wahrsten Sinne eingekauft worden, Er vermochte das „his-masters- voice“-Ritual offensichtlich nicht richtig zu nicht bedienen, kritisierte die diversen Abwesenheiten seines Chefs für Operninszenierungen im In- und Ausland und seinen „Führungsstil“, der keinen Widerspruch dulde; auch manche Regieeinfälle des Torsten Fischer ließ der um inhaltliche Qualität durchaus bemühte Dramaturg nicht unkommentiert — dies allerdings hauptsächlich in Form von Briefen und Aktennotizen, denn sehr schnell versuchte man, sich dieses Störenfrieds zu entledigen. Doch Ulrich Fischer wurde nicht still und gab nicht klein bei, sondern rang sich wohl formuliert weiter Argumente ab, um mit dem Chef endlich mal ins Gespräch zu geraten. Vergebens.

Nachdem es dann zwischen ihm und Monika Keppler im November 1991 beinahe körperlich zum Affront kam, war die klägliche Peripetie auch in diesem mies inszenierten Schmierenstück erreicht. Jetzt bekommt der gefeuerte Dramaturg wahrscheinlich die „gehörige“ Abfindungssumme von fast 200.000 DM aus der Stadtkasse, woher sonst? Und der mächtig wenig tangierte Herr Krämer ist ihn los; eine kleine Fehlinvestition. Peanuts jedenfalls für den wohldotierten Intendanten. Fragt sich, ob dieser Eklat dazu führt, daß zahlreiche andere Mitarbeiter des Hauses sich jetzt eher trauen, mit all den durchaus krankmachenden Kränkungen aus der Chefetage etwas öffentlicher umzugehen und sich endlich zu wehren. Marianne Bäumler

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