Das Opus Dei — Die Antwort auf alle Fragen

■ Die Entwicklung des Ordens von einem Eliteclub zu einer Sekte, die Kinder rekrutiert/ Opus Dei hat das größte Netz konfessioneller Schulen innerhalb der katholischen Welt/ Interview mit dem ehemaligen Opus-Dei-Mitglied Alberto Moncada

taz: Was hat Sie bewogen, dem Opus Dei beizutreten?

Alberto Moncada: Als ich 1949 ins Opus eintrat, mußte man eine universitäre Laufbahn hinter sich haben — im Gegensatz zu heute, wo sie Kinder rekrutieren. Und damals, in der Nachkriegszeit, gab es an der Uni zwei Arten Studenten: Die einen wollten möglichst schnell Geld verdienen, die anderen waren Idealisten. Und diese katholischen Idealisten teilten sich in zwei Sorten auf: Die einen suchten die Armen in den Vierteln auf, das waren die Jesuiten und so, und dann gab's die Intellektuellen, das war damals das Opus. Das war eine wesentlich liberalere Welt als die spanische Umwelt sonst. Das ist die erste Phase des Opus, die geht in der Epoche der Geschäfte zu Ende, in den sechziger Jahren. Ende der sechziger Jahre verließ ich das Opus.

Wie war das Verhältnis zwischen dem Opus und dem Frankismus?

In der Universität waren damals viele Dozentenposten freigeworden, die die Roten, die Intellektuellen, verlassen hatten. Escriva nutzte die Gelegenheit, um viele seiner Mitglieder in die Universität zu schleusen. 1951/1952 beschloß Franco, daß sich Spanien der Welt öffnen müsse, daß die alten politischen Familien, die Frankisten und Christdemokraten, dafür nicht taugten, und entdeckte das Opus. Durch Carrero Blanco wurden zwei oder drei Mitglieder des Opus Minister. Diese „Technokraten“ setzten einen Transformationsprozeß in Gang, bis 1962, mit relativ viel Erfolg. Sie forcierten die Rationalisierung in der Industrie, Öffnung des Markts etc. Zur gleichen Zeit benötigte Escriva jedoch viel Geld für die Ausweitung des Opus, für das Ordenshaus in Rom und um im Vatikan Gefälligkeiten zu kaufen, und so baute er ein Netz von Unternehmen auf. Dann begann die Expansion nach außen. In Deutschland etwa ist der höchste Opus-Mann ein Spanier: ein ausgesprochen faschistischer Architekt, der hier im Opus Lieder der Hitlerjugend sang.

Worin bestand der Dienst, den das Opus dem Frankismus erwies?

Ich glaube, das war vor allem die kapitalistische Modernisierung. Das Opus war sehr nützlich. Es stellte keine ideologischen Probleme, ist wirtschaftlich effizient und erhält gleichzeitig die organische Zusammensetzung des Staats, die Familie etc. Das Opus hat immer gedacht, das beste sei es, die Macht innerhalb der Macht innezuhaben, statt eine zweite Macht aufzubauen. Deshalb hat es praktisch die ganzen Institutionen mit seinen Leuten gefüllt. Das dauerte praktisch bis zur Demokratie. Darauf folgte die dritte Etappe, die heutige. Die besteht in der Verfolgung der Kinder, die Kontrolle über die verheiratete Frau. Heute gehören die Unternehmen nicht mehr dem Opus an sich, sondern Personen, die dem Opus angehören. Luis Valls vom Banco Popular oder Ruiz Mateos sind bekannte Beispiele dafür. Das sind Leute, die entweder mit ihrem eigenen Namen, aber dem Geld vom Opus operieren, oder aber mit ihrem eigenen Geld.

Hat das Opus heute eine vergleichbare Macht wie zu Francos Zeiten?

Nein. Seit es politische Parteien gibt, haben die vom Opus ihren natürlichen Platz im Partido Popular gefunden. Und da sind sie heute. Im politischen Bereich sind sie in der Opposition. Aber in der Bankenwelt haben sie große Macht. Der Vorsitzende der Bankenvereinigung war bis vor kurzem Rafael Termes, und der war vom Opus. Dazu kommt das Militär. Die ersten beiden Generalstabschefs in der Demokratie gehörten dem Opus an.

Was für Druckmöglichkeiten haben sie heute?

Sie haben das größte Netz an konfessionellen Schulen innerhalb der katholischen Welt. Mit Geschlechtertrennung, Disziplin etc. Die einzige Institution, die die Geschlechtertrennung in der Schule aufrechterhält, ist das Opus. Da sie diese Schulen betreiben, nehmen sie kleine Kinder auf und beeinflussen die. Die leben in einer geschlossenen Welt, in der sie keine Zeitungen lesen dürfen und nur ausgewählte Bücher, nicht ins Kino. Zu meiner Zeit war das liberaler. Heute gibt es einen Prozeß der Infantilisierung.

Was will das Opus mit all dem erreichen?

Daß sie mehr werden. Das ist wie mit allen Sekten — man weiß nicht genau, was sie wollen. Die traditionelle katholische Kritik klagt, sie hätten keine Theologie, sie haben kein spirituelles Leben, sie sind nicht ehrenhaft, sie sind kein Beispiel für Strenge. Es gibt keine Arbeiter im Opus, ihre Frauen überladen sich mit Schmuck — sie gehören zur Geldelite. Es gibt keine Intellektuellen mehr im Opus. Und das setzt sich fort. Sie legen den Samen in ihren Schulen, und in der Universität von Navarra oder dem Zentrum für Managerausbildung setzt sich das fort.

Warum gehen Leute zum Opus?

Das Opus fischt unter denjenigen, denen die sozialen Veränderungen angst machen. Das tun auch die Moonies — das tun alle Sekten. Es ist ein Beispiel für eine totale Gesellschaft, die ihren Mitgliedern auf alle Fragen Antworten gibt. Sie löst das Geldproblem, das Ideologieproblem, das Bedürfnis nach Zuneigung, nach Solidarität — es ist faszinierend. Interview: Antje Bauer

Alberto Moncada ist Soziologieprofessor in Madrid und ehemaliger Numerarier des Opus Dei.