: RWE zieht in Leipzig den kürzeren
Die Kommune sichert sich die 60-Prozent-Mehrheit an ihren Stadtwerken/ „Stromvertrag geknackt“ ■ Aus Leipzig Nana Brink
Der westdeutsche Energiekonzern RWE muß sich mit einer Minderheitenbeteiligung an den neuen Leipziger Stadtwerken zufriedengeben. Nachdem sich die westlichen Konzerne im Stromvertrag des Jahres 1990 noch die Mehrheit an der ostdeutschen Energieversorgung gesichert hatten, wurde in Leipzig ein richtungsweisender Kompromiß geschlossen. Der Stadt Leipzig gehören jetzt 60 Prozent der Stadtwerke, die RWE halten lediglich 40 Prozent. In Leipzig unterzeichneten gestern Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube (SPD) und der Vorstandsvorsitzende der Essener RWE, Dietmar Kuhnt, den Gesellschaftervertrag zur Gründung der kommunalen Stadtwerke, die ab 1.Juli 1992 die Leistungen der Westsächsischen Energie AG in der Region Leipzig übernehmen sollen.
Nach langwierigen Verhandlungen hat sich Leipzig mit seiner Forderung nach einer Mehrheitsbeteiligung an den neuen Stadtwerken somit durchgesetzt. „Unser Ziel war es, den Stromvertrag zu knacken“, so ein Sprecher der Stadtverwaltung. Auf der Grundlage des 1990 abgeschlossenen Stromvertrages hatten die RWE mindestens 51 Prozent der Anteile gefordert. Um die Kommunen unter Druck zu setzen, verweigerten die West-Stromriesen RWE, PreussenElektra und Bayernwerk bislang größere Investitionen in die ostdeutsche Energieversorgung. RWE-Chef Kuhnt äußerte sich nicht zu dem plötzlichen Einlenken, sondern bescheinigte dem Vertrag „Pilotfunktion“ für die Gründung von kommunalen Stadtwerken in den neuen Bundesländern. Die RWE wollten mit den ostdeutschen Kommunen „partnerschaftlich“ zusammenarbeiten, so Kuhnt. Tatsächlich waren die RWE mit ihrer Forderung nach einer Mehrheitsbeteiligung unter Druck geraten, weil Leipzig auch mit ausländischen Energieunternehmen verhandelt hatte.
Nach Aussage des Oberbürgermeisters berührt die Zusammenarbeit mit den RWE nicht die Verfassungsklage, die 123 ostdeutsche Kommunen — so auch Leipzig — gegen die 51-Prozent-Klausel im Stromvertrag angestrengt haben. Beide Partner versicherten, daß der Gründungsvertrag unabhängig vom Ausgang der Verfassungsklage Bestand haben werde, und legten ihre Zusammenarbeit bis zum Jahr 2005 vertraglich fest. Investitionen in Höhe von 2,5 Milliarden Mark sind geplant. Größtes Projekt wird dabei ein neues Heizkraftwerk für die Grundlast sein. Möglichst viel Energie soll selbst erzeugt werden, wobei sich die Partner nicht auf die Wahl des Energieträgers festlegen wollten.
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