: Zweckoptimismus bei den Vorbereitungen zur Weltumweltkonferenz
■ Vor dem Nationalen Komitee zur Vorbereitung der Weltumweltkonferenz in Rio de Janeiro warnte das Bundesumweltministerium gestern in Bonn vor „allzugroßen Erwartungen“
„Ich bin Optimist. Das ist die einzig mögliche Haltung. Ich bin sicher, die UNCED-Konferenz in Rio wird ein Erfolg.“ Mit gewinnendem Lächeln spielte Maurice Strong gestern auch im Gästehaus der Bundesregierung auf dem Bonner Petersberg die Rolle des Zweckoptimisten. Damit zieht der kanadische UNCED-Generalsekretär seit August letzten Jahres durch die Welt. Spätestens damals, bei der dritten Genfer Vorbereitungstagung für die Rio-Konferenz, war den aufmerksamen Beobachtern klar, daß es beim brasilianischen Mammutgipfel der 160 Staats-und Regierungschefs die ursprünglich angepeilten Konventionen zum Schutz von Klima, Wäldern und Artenvielfalt nicht geben wird. Mangels entsprechender Bereitschaft vor allem der USA zumindest keine Konventionen mit konkreten, für alle Länder gleichsam verbindlichen Maßnahmen etwa zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Und dies, obwohl die Notwendigkeit derartiger Vereinbarungen unter Wissenschaftlern und Experten längst Konsens ist.
Ein Konsens, dem sich auch so mancher Regierungspolitiker angeschlossen hat. Zu diesen gehört Bonns Umweltminister Klaus Töpfer. In den letzten Jahren hat er dafür gesorgt, daß die Bundesrepublik international als treibende Kraft bei Maßnahmen zur Bekämpfung des Treibhauseffekts und des Ozonlochs oder zur Einsparung und effektiveren Nutzung von Energie wahrgenommen wird. An Gastgeber Töpfer gewandt, würdigte Strong dies gestern vor den VertreterInnen von Umweltverbänden, Industrie, Kirchen und Gewerkschaften, die von Bundeskanzler Kohl Anfang 91 in das deutsche Nationale Komitee berufen worden waren, mit der Bemerkung: „Ihr Land ist sehr wichtig.“ In den Monaten seit der Genfer Vorbereitungstagung äußerten sich Töpfer und seine MitarbeiterInnen in der Öffentlichkeit allerdings zunehmend zurückhaltender und unkonkreter auf die Frage, mit welchen Vereinbarungen denn bei der Rio-Konferenz gerechnet werden könne. Zwar betonte das Umweltministerium immer wieder die nationalen beziehungsweise im EG-Rahmen getroffenen Vereinbarungen etwa zur Reduzierung von Kohlendioxidemissionen um 25 Prozent bis zum Jahre 2005. Doch ob Bonn beziehungsweise die EG auf diesen konkreten Verpflichtungen, deenen sich mit allen neutralen Staaten Westeuropas sowie Australien, Kanada, Japan und Neuseeland inzwischen fast der gesamte industrialisierte Norden angeschlossen hat, auch bei Formulierung der Klimakonvention für Rio bestehen werde, wurde offengelassen. Hinter den Kulissen fand während dieser Zeit eine intensive Debatte zu einer zentralen Frage statt: soll man die USA— für 25 Prozent für die weltweiten Kohlendioxidemissionen verantwortlich — unter Druck setzen und möglicherweise in Rio eine Konvention unterzeichnen, deren Unterschrift Washington zumindest zunächst verweigert? Oder sollen die USA unter allen Umständen an Bord gehalten werden, auch wenn dann die Inhalte der Konventionen unverbindlich bleiben?
Klare Entscheidung für die Unverbindlichkeit
Die Bundesregierung hat sich in dieser strategischen Frage bereits vor einiger Zeit für die Unverbindlichkeit entschieden. Die Verwässerung des ursprünglichen Entwurfes für ein deutsches Papier zu „Perspektiven einer weltweiten umweltverträglichen Entwicklung“, über dessen letzten Entwurf das Nationale Komitee gestern nachmittag beriet, war nur eines der Indizien für diese grundsätzliche Weichenstellung. Es wird in Bonn und anderen westeuropäischen Hauptstädten nicht damit gerechnet, daß sich die Bush-Administration angesichts der verheerenden Wirtschaftslage fünf Monate vor der Präsidentschaftswahl zu verbindlichen Umweltschutzmaßnahmen bereit erklärt — deren Umsetzung natürlich Milliardensummen kosten würde. Und einen weiteren offenen Konflikt mit Washington, gar einen Eklat in Rio, wollte man sich angesichts des ohnehin angespannten Verhältnisses bei den Weltwirtschaftsverhandlungen im Rahmen des Gatt nicht eingehen. Da erscheinen unverbindliche Vereinbarungen in Rio als das kleinere Übel. Die gestrige Veranstaltung mit dem Auftritt von Maurice Strong diente dazu, das Ergebnis dieser Abwägung in wohlverpackter Form nun auch öffentlich zu machen. Es sei ein Erfolg, wenn in Rio eine allgemeine Rahmenvereinbarung zum Klimaschutz verabschiedet werde, deren konkrete Ausfüllung dann den einzelnen Regierungen „je nach deren Möglichkeiten“ (Strong) überlassen bleiben soll. Mit solchen und ähnlichen Formulierungen bemühten sich der UNCED-Generalsekretär und der deutsche Umweltminister gemeinsam, „überzogene Erwartungen“ (Strong) runterzuhängen. Erwartungen, die beide vor noch nicht allzulanger Zeit selber kräftig geschürt hatten.
Die zahlreichen kritischen Fragen aus den Reihen des Nationalen Komitees machten deutlich, daß das „Einknicken vor Washington“ zumindest von den Umweltverbänden nicht akzeptiert wird. Noch vor Beginn der Beratungen über das „Perspektivenpapier“, die nach Redaktionsschluß der taz noch andauerten, erklärten Vertreter des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), daß sie dem Dokument in der vorliegenden Form nicht zustimmen würden. Sie schlossen nicht aus, daß eine Mehrheit der 35 Mitglieder des Nationalen Komitees ebenso mit Nein stimmen. Andreas Zumach, Bonn
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