Mit der Geldtasche zu Werder

■ Platzkarten-Deal beim „Heißen Draht“ / Untreue vor dem Amtsgericht

Schlagartig endete im Oktober 1990 die Zusamenarbeit zwischen Werder Bremen und einem seiner Großkunden: Für 214.000 Mark hatte ein Angestellter des Hannoveraner Anzeigenblattes „Der heiße Draht“ im Weserstadion insgesamt 900 Dauerkarten für die Saison 1990/91 aufgekauft. Das Problem: Die Geschäftsführung des Blattes wußte von den Geschäften des Angestellten, damals Anzeigenleiter im mittlerweile aufgelösten Bremer Büro, überhaupt nichts.

Als die Geschäftsführung im Oktober 1991 den Deal des sich selbständig machenden Anzeigenleiters entdeckte, war ein Minus von 82.000 Mark entstanden. Wegen Unterschlagung dieser Summe mußte sich gestern Meinolf P. vor dem Amtsgericht verantworten. Dort kamen völlig abstruse Geschäftsgebaren zum Vorschein: „Jeder Tante-Emma- Laden ist ein Muster von Transparenz gegenüber diesen Geschichten hier“, meinte Amtsrichter Dieter Nordhausen entnervt nach über vier Stunden schwierigstem Aufdröseln, wer wann welche Anweisungen nicht beachtet, wo welches Geld gelandet, wer wann welche Verluste wie verwaltet hatte.

„Ich habe mich in keinster Weise bereichert!“ rechtfertigte sich P. und wedelte mit einer Plastiktüte, Inhalt: Unverkaufte Werder-Eintrittskarten, Wert 25.000 DM. „Für mich war nur wichtig, daß diese Zeitung in Bremen akzeptabel werden sollte.“ Deshalb hat er, entgegen strikter Anweisung in achtfacher Ausführung, in der Saison 90/91 für den „Heißen Draht“ das Werbegeschäft mit den Fußballkarten erneut abgeschlossen und sogar noch erweitert — obwohl das Blatt mit solch einer Aktion in der Vorsaison mehrere zehntausend Mark Minus gemacht hatte.

„Diese Löcher wollte ich stopfen!“ verteidigte sich P. Mit einfachen Rechenaufgaben hat er es nicht so; erst nach langem Nachbohren gibt er zu, daß dieses „Löcher stopfen“ nur mit neuen Löchern zu bewerkstelligen war.

Bei weitem nicht seine einzige Schwäche: So etwas wie Buchhaltung gab es nicht. „Wenn ich Karten verkauft habe, kam das Geld in eine Geldtasche. Und wenn genügend zusammen war - so 2.000 Mark — bin ich runter zu Werder und hab's eingezahlt.“

Werders Geschäftsführer Barghausen zur taz: „Das ist halt Verhandlungsbasis“. In den Gerichtsakten finden sich tatsächlich Quittungen über Bareinzahlungen von über 20.000 Mark, die P's. Aussage bestätigen.

Ratlosigkeit bei der als Zeugen geladenen Geschäftsführung: Soeben hatte der für Werbemaßnahmen Verantwortliche behauptet, daß es für die Vorsaison gar keine Schulden bei Werder mehr gegeben habe, weil die Zentrale in Hannover alles bezahlt habe. Auf Drängen gibt er zu: „Ich kann nicht ausschließen, daß P. etwas direkt an Werder gezahlt hat.“ Nicht einmal die Höhe des Schadens, um den parallel auch in einem Arbeitsgerichtsverfahren gestritten wird, kann der Geschäftsführer angeben.

Richter Nordhausen brach die Verhandlung schließlich ab. „Wir manövrieren Herrn P. in eine Lage hinein, die ich nicht mehr verantworten kann!“ P. war ohne Rechtsanwalt angetreten. Das Blatt wende sich vom Vorwurf der Unterschlagung in den der Untreue — Höchststrafe statt drei fünf Jahre Haft (oder Geldstrafe). Jetzt wurde um die fehlenden 82.000 Mark verhandelt; in einem neuen Verfahren wegen Untreue wird es um die gesamte Summe von 214.000 Mark gehen. skai