: Rumänische Opposition hat Nase vorn
Bei den Kommunalwahlen konnte die regierende „Front“ sich nur auf dem Land behaupten/ Opposition in Temeswar und Tirgu Mures vorn/ In anderen Großstädten kommt es zur Stichwahl ■ Aus Temeswar Roland Hofwiler
Bei den Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen in Rumänien hat die Opposition die Nase vorn: Nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen hat die „Demokratische Konvention“, ein Zusammenschluß von 14 Oppositionsparteien, 45 Prozent der Stimmen gewonnen. Die „Front der Nationalen Rettung“ dagegen hat nur 31 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können. An dritter Stelle liegt die ultrarechte Großrumänienpartei mit 7,3 Prozent. Die Jungliberalen kamen auf 3,8 und die Grünen landesweit auf 2,1 Prozent.
In der Provinz und den Kleinstädten hat die regierende „Front der Nationalen Rettung“ in 750 Gemeinden— einem Viertel aller Wahlbezirke — schon im ersten Wahlgang 470 Bürgermeisterämter gewonnen. In allen Großstädten, einschließlich der Hauptstadt Bukarest, liegt jedoch die Opposition vor Petre Romans Regierungspartei. In Temeswar, der Banater Hauptstadt, in der im Dezember 1989 der Sturz Ceausescus seinen Anfang nahm, konnte der Oppositionspolitiker Viorel Oancea im ersten Wahlgang über 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Relative Mehrheiten zeigen die Zwischenergebnisse für Brasov (Kronstadt), Constanta, Oradea oder Sibiu (Hermannstadt) auf. Doch bei den Stichwahlen sind konservative Mehrheiten auch in den Großstädten nicht ausgeschlossen.
Minderheiten gewinnen
Überraschend sind die Wahlergebnisse vor allem im gemischt besiedelten Siebenbürgen ausgefallen. Bekanntlich leben in Siebenbürgen an die zwei Millionen Ungarn, noch immer hunderttausend Deutsche (im Banat und Siebenbürgen) und gut eine halbe Million Roma. Gegen all diese Minderheiten macht seit dem Sturz Ceausescus die rechtsextreme Bewegung „Vatra Romaneasca“ (Rumänische Heimstätte) mobil. Bei den Wahlen sind die Rechtsextremen mit der „Front“ ein Wahlbündnis eingegangen. Zum Nachteil der regierenden „Front“. In der je zur Hälfte von Rumänen und Ungarn bewohnten Großstadt Tirgu Mures (Neumarkt) verlor der Kandidat der „Vatra“ gegen den unabhängigen Kandidaten Laszlo Pokorny, der von ungarischen Organisationen unterstützt worden war. Ähnlich erging es dem „Vatra“-Kandidaten in Oradea und Sibiu. Einzige Ausnahme bildet die Großstadt Cluj (Klausenburg), wo die „Vatra“ vorne liegt und es fraglich erscheint, ob bei der anstehenden Stichwahl der Oppositionskandidat noch eine Chance haben wird. Glaubt man den Vertretern des „Forums der Deutschen“, so setzten sich deren Kandidaten zwar nicht für das Amt des Bürgermeisters, aber als Gemeindevertreter überraschend gut durch, auch in Orten, in denen die Zahl der Deutschen nicht ins Gewicht fallen.
Sehen die rumänischen Medien in diesen Lokalwahlen einen Gradmesser für die im April anstehenden allgemeinen Parlamentswahlen, glaubt die mit Abstand seriöseste Tageszeitung 'Romania Libera‘ bereits zu erkennen, man könne keine Prognosen wagen. Für die Blattmacher ist das gute Abschneiden des Kandidaten des „Demokratischen Konvent“ für das Amt des Oberbürgermeisters von Bukarest, Crin Halaicu, weniger der Einigkeit der Oppositionellen zuzuschreiben als der Zerstrittenheit unter der regierenden „Front“, vor allem zwischen Parteichef Petre Roman und Präsident Ion Iliescu. Glaubt man der Bukarester Presse, so lancierte die Roman-Fraktion kurz vor dem Wahltag belastende Einzelheiten über Korruptions- und Vetternwirtschaft gegen den Kandidaten aus der anderen Fraktion.
Doch auch innerhalb des „Demokratischen Konvent“, einem Sammelsurium von fünf im Parlament vertretenen Parteien und elf außerparlamentarischen Oppositionsbündnissen, gärt es. Temeswars neuer Bürgermeister Oancea gab in einem lokalen Radiointerview bereits zu verstehen, daß er sich wünsche, daß zu den allgemeinen Parlamentswahlen der „Demokratische Konvent“ die gleiche Geschlossenheit zeige wie bei den Lokalwahlen. „Doch daran glaube ich nicht“, so der populäre Politiker. Denn es ist nicht nur die nationale Sammelpartei der Ungarn (RMDSZ), die sich in vier verschiedene Strömungen aufzusplittern beginnt, auch die Sozialdemokraten und die Christdemokraten stehen vor der Spaltung, während man den Grünen nachsagt, sie seien nichts anderes als ein „pseudo-oppositioneller“ Ableger Ion Iliescus.
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