Kontrastprogramm

■ Genscher setzt in Japan den Sonderweg der deutschen Außenpolitik fort

Kontrastprogramm Genscher setzt in Japan den Sonderweg der deutschen Außenpolitik fort

Hans-Dietrich Genscher hat in diesen Tagen eine neue deutsche Japan-Diplomatie begründet. Nicht mit einer Silbe nahm der deutsche Außenminister in Tokio Bezug auf die für den Westen bislang maßgebliche Japan-Politik der Amerikaner, nicht mit einem Wort erwähnte er die erst im letzten Jahr vertiefte Japan-Politik der EG- Kommission in Brüssel. Auch inhaltlich setzte sich Genscher von Washington und Brüssel ab. Denn die hatten gerade in letzter Zeit die Handelsprobleme in den Vordergrund ihrer Japan-Diplomatie gerückt.

Für den deutschen Außenminister aber waren die Streitereien über Autoimportquoten und strukturelle Handelsbarrieren offenbar ohne Belang. Er machte es zur Strategie seines Tokio-Besuchs, die strittige Handelspolitik auszuklammern, um freier und offener die von ihm benannten „globalen Herausforderungen“ wie etwa Atomwaffen-Nichtweiterverbreitung und die Hilfe für die GUS erörtern zu können.

Japans Regierende zeigten sich verständlicherweise angetan von einem westlichen Partner, der ihnen nicht die ewige Litanei vom unausgeglichenen Handel singt. Das paßte auch ins Deutschland- Bild der Japaner. Schließlich galt Deutschland lange Zeit in Japan als Vorbild für technische Leistungen, industrielle Erfindungsgabe und gute Fabrikation. Nach der Bush-Visite vom Januar avancierte der Genscher-Besuch damit zum Kontrastprogramm. Für den „Autoverkäufer“ Bush, der sich in Tokio blamierte, hat es viel internationale Kritik gehagelt. Doch daraus ist nicht zu schließen, daß die Welt nun voller Lob für die Japan-Politik der Deutschen sein wird.

Wenn Deutsche und Japaner einen Sonderweg gehen und sich um die Einwände und Sorgen anderer nicht kümmern, dann droht zweifellos ein diplomatisches Gewitter. Genscher nannte Deutschland und Japan „natürliche Partner“, pries die Allianz zwischen den Konzerngiganten beider Länder — Daimler-Benz und Mitsubishi — und lobte das globale Verantwortungsgefühl beider Länder. Manchem westlichen Politiker wird dabei ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen sein. Georg Blume, Tokio