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Wallraffs Intimfeind in der Bredouille

Scharfe Kritik an bayerischem Fernsehchef auf Rundfunkratssitzung in München/ SPD-Vertreter fordert Absetzung von Mertes als „Report“-Moderator/ WDR-Chef Pleitgen entschuldigt sich für Kommentar  ■ Von Claus Christian Malzahn

Berlin/München (taz) — Die Auseinandersetzung in der ARD um den Wallraff-Kommentar des bayerischen Fernsehchefs Heinz Klaus Mertes spitzt sich zu. Auf der gestrigen Rundfunkratsitzung des Bayerischen Rundfunks in München wurde der CSU-Journalist von mehreren Mitgliedern des Aufsichtsgremiums scharf angegriffen.

Neben der SPD und den Grünen übten auch die Vertreter der sogenannten „Grauen“ — Wohlfahrtsverbände und Kirchen — Kritik. In einem Brief an den BR-Intendanten forderte der Vertreter der SPD im Rundfunkrat, Dr. Heinz Kaiser, gestern die Absetzung von Mertes als Moderator von Report-Bayern. „Es geht nicht an, daß Mertes über den Bildschirm private Rechnungen mit Wallraff begleicht“, sagte er der taz. Die Vertreterin der Grünen, Margarete Bause, forderte sogar seinen Rücktritt als Fernsehchef. Bei Redaktionsschluß dauerte die Sitzung noch an.

Bereits vor kurzem stand Mertes im Rundfunkrat unter Beschuß, als er in einer Report-Sendung den brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) wegen dessen Stasi-Kontakten aufforderte, sein Amt aufzugeben. Der Chefredakteur des WDR und Leiter der ARD- Schaltkonferenz, Fritz Pleitgen, hat inzwischen öffentlich bedauert, den Kommentar von Mertes angenommen zu haben. „Ich habe einen Fehler gemacht!“, sagte er der Münchner 'Abendzeitung‘. Zum Inhalt äußerte er sich jedoch nicht, da er die Sendung nicht gesehen habe.

Auch der Chef des Bremer Fernsehens, Michael Geyer, ging mit Mertes ins Gericht. Er möge die Kommentare des Bayern eigentlich, weil „sie immer so schön Klartext sprechen“. Manchmal müsse man Mertes aber davor bewahren, sich um Kopf und Kragen zu reden, sagte Geyer der taz. Die Kritik aus den verschiedenen Funkhäusern an Mertes war so heftig, daß sein Kommentar auch bei der ARD-Chefredakteurskonferenz am 24. Februar zur Sprache kommen soll.

Günter Wallraff bemühte sich gestern mit dem Schriftsteller Jürgen Fuchs um Akteneinsicht bei der Gauck-Behörde in Berlin. Wann er entsprechende Unterlagen einsehen könne, konnte der Sprecher des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, David Gill, gestern aber noch nicht sagen. Wallraff gab außerdem bekannt, sich im Dezember 1989 mit dem Ex-Stasi-Chef Markus Wolf getroffen zu haben. Er sei im Auftrag des Kiepenheuer und Witsch-Verlages mit Wolf zusammengekommen, um ein Buchprojekt zu besprechen. „Wir hatten überlegt, einen Agentenroman zu schreiben, im Stil von John le Carre.“ Sein Verleger und er hätten sich mit Wolf noch einmal in der gleichen Angelegenheit getroffen.

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