: Bremen zwischen Sekt und Selters
■ Wo die In-Crowd die Theken stürmt / Drei Tester in 93 Kneipen
Seit Nicole den Grand Prix d'Eurovision mit „Ein bißchen Frieden“ gewonnen hat, hatten sie nicht mehr soviel Spaß: Nicolaus Breiter, Christine Lokotsch und Jürgen Müller erforschten „Bremen zwischen Sekt und Selters“.
Hektoliterweise Bier und Cocktails schlürfen mußten die drei Tester, auch Klos und Küchenservice wurden strenger Prüfung unterzogen.Was dabei herauskam, ist jetzt im „Kritischen Führer durch Kneipen, Cafes, Bars und Discos“ - was es in Bremen halt so gibt - nachzulesen. Ein Werk, das längst fällig war, denn endlich erfährt man schwarz auf weiß, mit was für Volk man den Tresen teilt.
„Szenevolk, Grufties, Nachtschwärmer“ stehen im Airport nach Mitternacht herum. Im Little Ritz in Schwachhausen versammeln sich „aufgestylte, erlebnishungrige und abenteuerlustige Typen“, in der Waldbühne im Bürgerpark dagegen „Oldies, Schickeria, Sportler, Familien, Singles — von 18-60“.
Lebende Staffage, Essen, Getränkeangebot, Musik und Service haben die drei AutorInnen in 93 Bars und Discos durchgetestet und mit Sektkelchen von sechs („einfach toll, super“) bis zu einem („nicht der Rede wert“) prämiert.
Die Spitzenreiter des Trios: Queens, Cafe Sand, Borchers, Ambiente, Sevastopol, Aladin und das Frizz in Bremerhaven. Da stimmt einfach alles: Speis' und Trank, Service, Musik, Hygiene; Kohle und Publikum. Eine ganz miese Eins erhielten: Stubu („dumpfe Torten, sabbernde Kerle“, Laut, stinkig, mürrisches Personal, teuer), Engel („Die zugige Bude ist eher vom Geist eines tückischen Salbenkrämers besessen“), Extrablatt („arrogante Tussies und schlecht gezapftes Bier“) und Village (Kommentar zur Speisekarte: „Vorbeugen ist besser als auf die Schuhe kotzen“).
Sechs umgedrehte Sektkelche, was wohl schon wieder eine Auszeichnung sein soll, wurden der Schule („Mach dir einfach nichts draus, wenn Zigarettenkippen in deinem Bier schwimmen“) und der Kneipe Zum Haltepunkt („Ohne den Matthias Reim, die Gitte und den Frank Zander gehen wir nicht nach Hause“) verliehen.
Von „Bremen zwischen Sekt und Selters“ kann man sich seine Vorlieben bestätigen lassen oder sich schrecklich ärgern, weil die eigene Lieblingskneipe schlecht wegkommt. Und man kann sich auch ein bißchen über die AutorInnen ärgern. Daß ihre Entscheidungen absolut subjektiv und bei weitem nicht immer durch ihren eigenen Kriterienkatalog belegt sind, geht ja noch hin. Aber dieser permanent gewollte Szene-Slang trifft echt den Nerv. Deshalb leider nur drei schlappe Sektkelche für „Bremen zwischen Sekt und Selters“. asp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen