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Maulkorb im irischen Abtreibungsprozeß

Die Diskussionen über ein 14jähriges Vergewaltigungsopfer seien „Mißachtung des Gerichts“  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Der irische Generalstaatsanwalt Harry Whelehan hat Politikern und Medien einen Maulkorb verordnet. Damit will er eine öffentliche Diskussion über den Fall einer 14jährigen verhindern, der per einstweiliger Verfügung ein Schwangerschaftsabbruch in England untersagt wurde. Die Jugendliche war nach einer Vergewaltigung schwanger geworden.

Es ist das erste Mal, daß die Staatsanwaltschaft das Abtreibungsverbot, das seit 1983 nach einem Referendum auch in der Verfassung verankert ist, gerichtlich durchsetzen will. Whelehan betonte, er habe diesen Schritt nicht im Auftrag der Regierung, sondern aufgrund seiner Rolle als „Wächter über das öffentliche Interesse“ unternommen. Das Gericht, das Anfang der Woche über die einstweilige Verfügung beriet, habe zum Schutz des Vergewaltigungsopfers die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Die breite Berichterstattung über den Fall sei deshalb eine „Mißachtung des Gerichts“, sagte Whelehan. Mit dem Urteil wird Anfang der Woche gerechnet.

Verschiedene Abgeordnete der linken Parteien verlangten am Donnerstag wegen der Tragweite des Falles eine außerordentliche Parlamentsdebatte. Der Parlamentspräsident Sean Treacy lehnte den Antrag jedoch ab, da das ein Eingriff in ein schwebendes Verfahren wäre. Dennoch hat der Prozeß in der Bevölkerung heftige Diskussionen ausgelöst. Schließlich ist die 14jährige durchaus kein Einzelfall. Die Dubliner Beratungsstelle für vergewaltigte Frauen gab bekannt, daß von ihren 1.432 Klientinnen im vergangenen Jahr 52 schwanger waren, das sind 3,6 Prozent. In Cork, der zweitgrößten irischen Stadt, waren es sogar 14 Prozent. Olive Braiden von der Dubliner Beratungsstelle sagte, nur knapp 30 Prozent der Frauen würden die Vergewaltigung bei der Polizei anzeigen. Der Prozeß gegen die 14jährige werde noch mehr Frauen davon abhalten, sich an die Polizei zu wenden. Diese hatte nämlich die Staatsanwaltschaft von der geplanten Abtreibung informiert.

Der Fall wirft zahlreiche juristische Fragen auf: Kann sich die Verfassung eines Landes in bestimmten Fällen auch auf ein anderes Land erstrecken? Gilt das Recht der Bewegungsfreiheit innerhalb der EG auch für „Abtreibungstouristinnen“, wie die Frauen von einer irischen Verfassungsrechtlerin genannt wurden? Der Europäische Gerichtshof hat im vergangenen Jahr zugunsten der „Abtreibungstouristinnen“ entschieden. Zwar hat europäisches Recht Vorrang vor nationalem Recht, doch die gerichtliche Durchsetzung dürfte für die 14jährige zu spät kommen.

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