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Erich Honecker darf ins Krankenhaus

■ Bonn mit Klinikaufenthalt in Moskau einverstanden/ Deutsche Position der Auslieferung an Deutschland bekräftigt

Bonn (ap) — Die Bundesregierung ist mit der Behandlung des ehemaligen DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker in einem russischen Krankenhaus einverstanden. Wie der Sprecher des Auswärtigen Amts, Hanns Schumacher, am Freitag in Bonn bekräftigte, ist der russischen Seite auf diplomatischem Wege aber mitgeteilt worden, eine stationäre Behandlung dürfe den deutschen Anspruch auf Rücküberstellung Honeckers nach Deutschland nicht vereiteln. Der 79jährige, gegen den ein deutscher Haftbefehl wegen der Mauerschüsse vorliegt, leidet nach chilenischen Angaben an Leberkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Honecker hatte sich der drohenden Überstellung nach Deutschland im Dezember durch die Flucht in die chilenische Botschaft in Moskau entzogen.

Wie aus dem Außenministerium in Santiago de Chile verlautet war, ist Honecker in der Botschaft von drei russischen Ärzten untersucht worden, die zu einer sofortigen Behandlung im Krankenhaus rieten. Honecker leide auch unter Depressionen, so daß mit einem Selbstmordversuch gerechnet werden müsse.

Schumacher machte deutlich, daß die chilenische Darstellung durch eine erneute ärztliche Untersuchung des früheren Staatsratsvorsitzenden überprüft werden solle. Die Verantwortung für Honecker liege bei der russischen Seite. Offenbar wird in Bonn nicht ausgeschlossen, daß die Angaben über den Zustand Honeckers nur dazu dienen sollen, doch noch eine Ausreise zu seiner Tochter nach Chile zu ermöglichen. Dafür plädieren nicht nur die mitregierenden Sozialisten, sondern in jüngster Zeit auch die Rechtskonservativen des Landes.

Am Donnerstag waren der chilenische Botschafter in Bonn, Carlos Huneeus, sowie der russische Gesandte Leonid Ussytschenko ins Auswärtige Amt einbestellt worden. Staatssekretär Dieter Kastrup bekräftigte dabei die Rechtsposition, Honecker müsse nach Deutschland rücküberstellt werden. Auch der deutsche Botschafter in Moskau, Klaus Blech, sprach am Donnerstag erneut bei Justizminister Nikolai Fjodorow vor. Der Minister versicherte, die russische Zusage stehe, daß Honecker nach Verlassen der Botschaft sofort nach Deutschland rücküberstellt werde.

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