: Ein Windrad im dauernden „Stillgestanden!“
Pleiten in Serie bei Windkraftanlage auf der Schwäbischen Alb/ Funktioniert „Schneebesen“ aus guten Gründen nicht? ■ Von Klaus Wittmann
Glaubt man dem Geschäftsführer der Energieversorgung Schwaben (EVS) in Laichingen, dann handelt es sich bei der Windkraftanlage Heroldstatt auf der Schwäbischen Alb um eine einmalige Sache: „Man kann sagen, sowas gibt es auf der ganzen Welt nicht“, meint Hermann Ensle. Er meint damit die Kombination von zwei grundverschiedenen Windkraftanlagen. Nebeneinander sind dort oben auf der Alb, 814 Meter über dem Meeresspiegel, eine herkömmliche sogenannte Enercon- Anlage und eine vertikale Darrieus-Windkraftanlage aufgebaut. Während es mit dem Enercon-Windrad, das hundertfach an der Küste von Dänemark steht, keine Probleme gibt, produziert die nach dem französischen Ingenieur Darrieus benannte Anlage nebenan eine regelrechte Serie von Pleiten und Pannen. „Mit Beginn der Inbetriebnahme im September 1990 haben sich viele Schwachstellen herausgebildet“, berichtet Hermann Ensle recht trocken, obwohl er stinksauer ist, weil die Anlage längst zum Gespött der Menschen auf der Alb geworden ist. „Seit der Schneebesen steht, steht er auch“, wird geulkt.
„Schneebesen“ wird die vertikale Windkraftanlage genannt, weil ihr Aussehen an das gleichnamige Küchengerät erinnert. Der Vorteil dieser Anlage: sie kann die Winde aus allen Richtungen aufnehmen, ohne daß eine Nachführung — wie bei der Enercon-Anlage — erforderlich ist. Der Schneebesen ist eine 28 Meter hohe Konstruktion mit zwei Rotorblättern, gebaut von der Firma Dornier in Friedrichshafen, die ähnliche Anlagen mit drei Rotoren schon gefertigt hat — angeblich ohne Pannen. Anders der Schneebesen. Der bringt nach und nach das ganze EVS-Windkraft-Projekt in Verruf. Zunächst gerieten die Abspannseile so sehr in Schwingung, daß sich die Anlage beinahe selbst zerstört hätte. Dann gab es Schwierigkeiten mit der Ölversorgung, neue Rohre mußten eingbaut werden. Schließlich konnte die Windkraftanlage kaum mehr abgebremst werden, wenn der Wind zu kräftig pfiff. Neue Bremsbacken waren erforderlich. Es folgten ein Generatoren- und Getriebedefekt, und jüngst versagte dann auch noch eine Steuerungsplatine.
Wie kann es zu einer derartigen Serie von Pannen und Peinlichkeiten kommen? „Wir sind auch sehr erstaunt, daß es für die Firma Dornier solche Schwierigkeiten bereitet“, ärgert sich Hermann Ensle. Immer wieder habe das Unternehmen versprochen, die Anlage würde in der nächsten Woche endlich anlaufen, die Probleme ausgeräumt. Der zuständige Projektingenieur Alex Soler gab sich auch im Interview mit unserer Zeitung zuversichtlich, daß die Anlage endgültig Ende Januar funktioniert. Doch von Funktionieren bislang keine Spur. Dabei ist die Idee, die hinter der ungewöhnlichen Kombination der zwei verschiedenen Windkraftanlagen steckt, ausgesprochen interessant. Weil auf dem Festland ganz andere Windverhältnisse herrschen als an den Küsten, müssen Windräder unter den entsprechenden Verhältnissen getestet werden. Während beispielsweise an der dänischen Küste der Wind im Jahresschnitt in einer Geschwindigkeit von 7 bis 8 Meter pro Sekunde bläst, sind es auf der Schwäbischen Alb nur 4 bis 5 Meter pro Sekunde. Dabei handelt es sich um den günstigen Standort weit und breit, der durch ausführliche Messungen ausfindig gemacht wurde. Trotzdem sollte die Entwicklung soweit vorangetrieben werden, daß bis zum Jahr 2020 rund fünf Prozent des Energieverbrauchs auf der Alb durch Windkraftanlagen erzeugt wird. Durch die 28 Meter hohe Enercon-Anlage wurden 1991 80.000 Kilowattstunden Strom erzeugt und in das nahe Hochspannungsnetz eingespeist.
Vom „Schneebesen“ haben sich die Experten noch einmal etwa gleichviel Energie versprochen. Doch es sieht im Moment nicht danach aus, als würde die einst hochgepriesene Anlage jemals vernünftig arbeiten. Aber ist das nicht eine selbstverursachte Geschäftsschädigung für die Firma Dornier, wenn es dauernd Probleme mit der Anlage gibt, zumal die Firma laut EVS für die Kosten aufkommen muß, solange die Windkraftanlage nicht läuft, und sich ja wohl auch ein Geschäft mit diesen Anlagen verspricht? Die Antwort von Projektingenieur Alex Soler kommt überraschend: „Wir haben die Projekte Windenergie eingefroren und wollen sie derzeit nicht weiterverfolgen.“ Grund dafür sei die mangelnde Wirtschaftlichkeit, der Rückstand in der Entwicklung vertikaler Windkraftanlagen, sagt der Ingenieur.
Ist das der Grund dafür, daß es mit dem Scheebesen nicht so recht klappen will? „Nein, nein, wir geben uns da größte Mühe, aber wir hängen zum großen Teil von Unterlieferanten ab, mit denen wir gewisse Schwierigkeiten haben. Auch wenn wir die Windenergieanlagen auf Eis gelegt haben, werden wir dieses Projekt ordentlich zu Ende führen.“ Unsere Nachfrage bei der EVS in Laichingen ergibt, daß man dort bislang nichts davon wußte, daß Dornier die Entwicklung von Windkraftanlagen ausgesetzt hat. Ein Punkt mehr, der darauf hindeutet, daß Hermann Ensle Recht hat, wenn er sagt: „Sowas gibt es auf der ganzen Welt nicht.“
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