piwik no script img

Nachgefragt: Eine politische Fehlkalkulation

Am vergangenen Freitag hat Bundesfinanzminister Waigel mit Hilfe der Stimmen der Länder Berlin und Brandenburg im Bundesrat ein Steuerpaket durchbekommen, das die Bremer Ampel-Koalition auch aus Eigeninteresse abgelehnt hat.

Was bedeutet das Steuerpaket für Bremen?

Dieter Mützelburg: Es kann zu einer Katastrophe werden. Die Strukturhilfe, die zusammen mit der Mehrwertsteuer beschlossen wurde, führt dazu, daß Bremen im laufenden Jahr 50 oder 60 Millionen mehr hat. 1993 wird es plusminus Null sein, der Hammer kommt ab 1994: Nach diesem Freitag müssen wir mit einem Minus von 60 bis 70 Millionen rechnen. Strukturhilfe und andere Ausgleichszahlungen fallen weg, und die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer gehen ganz in die östlichen Länder.

Aber bis dahin sind die Verhandlungen um den neuen Länderfinanzausgleich weiter ...

... und es gibt das neue Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.

Wie kommt es, daß sich Bremen in der Verhandlungssituation schließlich so hat ausmanövrieren lassen?

Die SPD ist Opfer einer vollkommenen Fehlkalkulation geworden. Auch der Bremer Senat wollte ja nicht grundsätzlich die Mehrwertsteuererhöhung jetzt verhindern, sondern war im Prinzip verhandlungsbereit. Aber die politische Einschätzung auch von Lafontaine, Engholm, Schröder und in der Folge auch in Bremen war, daß die ganze Sache erst im April ernst wird, nach den Wahlkämpfen in Baden- Württemberg und Schleswig-Holstein. Auch die CDU hat den Eindruck vermittelt, sie wolle den Konflikt noch als Wahlkampfthema benutzen. Eine richtige politische Fehlkalkulation.

Wedemeier hat auf der Pressekonferenz am Dienstag noch erklärt, es gebe keine Entscheidung am Freitag.

Die SPD hat nicht geglaubt, daß Berlin auch umfällt.

Die Grünen sind in solchen Verhandlungssituationen in Bonn nicht beteiligt?

Nein. Int.: K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen