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Auf dem Weg zum Kronprinz der Fußballprovinz

■ Bei Berlins Amateurkickern singt Tennis Borussia finanziell die lautesten Töne, um wieder in die 2. Liga aufzusteigen

Berlin. Während Fußball-Zweitligist Blau-Weiß 90 dem drohenden finanziellen Kollaps kaum noch wird entfleuchen können, hockt ein anderer Ex-Erstligist bereits in den Startlöchern, um — wie bereits in den siebziger Jahren — wieder die Rolle des Berliner Kicker-Kronprinzen hinter Hertha BSC einzunehmen: Tennis Borussia strebt mit Macht zurück in den bezahlten Fußball, und natürlich träumen die betuchten Charlottenburger Herrschaften von nichts anderem, als der kränkelnden Hertha die Führungsrolle im Berliner Fußballgeschäft abzujagen.

Finanzieren soll diesen Spaß Jack White, der schon so manch schönen Schlager zum Klingen brachte und unter TeBe-Trainer Gutendorf (»Riegel-Rudi«) sogar einmal in einem Pokalspiel auflief. Zum Einstand als »Beirat des Präsidums« hatte White jedenfalls die Spendierhosen an und brachte vier Spieler mit: Theiss und Friz, zwei recht passable Ex-Bundesligaspieler, die noch nicht einmal im Geld-Absahn- Alter sind, sowie mit Köllner einen ehemaligen DDR-Jugendnationalspieler und mit Januschewski einen Routinier von ZSKA Moskau, der drei Einsätze in der UdSSR-Nationalmannschaft vorweisen kann.

Die vier neuen sollen fleißig helfen, TeBe zum Meister der NOFV- Oberliga Nord zu schießen, welcher allein an der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga teilnehmen darf. Schärfster Konkurrent bei diesem Unterfangen ist der FC Berlin, vormals BFC Dynamo und Abonnementsmeister der DDR, welcher die ersten zwanzig Saisonspiele ungeschlagen überstand und nach der Winterpause mit einem Minuspunkt weniger als Tennis Borussia sowie dem phänomenalen Torkonto von 56:5 an den Start geht.

Mit seinen bisherigen Leistungen hat der FC Berlin allgemeine Überraschung geerntet, zumal er in den letzten beiden Jahren nahezu alle seine Stammspieler verlor, neben Rohde, Bonan und Thom auch den inzwischen bei Lazio Rom in Liremilliarden entlohnten und zum BRD-Nationalspieler aufgestiegenen Thomas Doll. Aus Meisterzeiten ist lediglich noch Backs da. Nachgerückt ist fast ausschließlich eigener Nachwuchs, von dem aber sicher nicht allzu viele übrigbleiben werden, sollte der FCB nicht aufsteigen.

Dritter im Bunde der Berliner Aufstiegswilligen in der neugegründeten Oberliga Nord ist ein Verein mit dem schönen Namen Bergmann Borsig, der überregional dadurch Aufsehen erregte, daß er als einziger Berliner Verein die dritte Runde im DFB-Pokal erreichte, um dann gegen die Amteure des HSV nach Elfmeterschießen auszuscheiden.

In den Punktspielen sind die Chancen der Bergmänner jedoch mächtig gesunken, nachdem zwei der besten Spieler, Breitkreuz und Beinlich, Mitte der Saison an den englischen Erstligisten Aston Villa (!) verkauft wurden — rund 400.000 DM haben die Pankower für die beiden 20jährigen kassiert. Auf vier Punkte ist der Rückstand zum Tabellenführer FC Berlin angewachsen, noch stehen allerdings 14 Begegnungen an. In der NOFV-Oberliga Mitte führt zum Rückrundenstart der 1. FC Union, im früheren Ost-Berlin ähnlich heiß geliebt wie Hertha BSC im Westteil der Stadt und zu DDR-Zeiten trotz bescheidener sportlicher Erfolge stets vor wesentlich größerer Zuschauerkulisse auflaufend als der »Mielke-Club« geschimpfte BFC Dynamo, zu dem jahrelang einige der besten DDR-Fußballer delegiert wurden. Im Sommer verpaßte Union die Qualifikation zur 2. Liga und stand nach der einsetzenden Abwanderungswelle wie der FC Berlin vor einem völligen Neuaufbau. Doch erstaunlicherweise erwies sich die zusammengewürfelte Mannschaft als die bisher stabilste der Staffel und führt die Tabelle recht deutlich an, vor der Konkurrenz aus Magdeburg.

Dem 1. FC Union darf man auch die besten Chancen einräumen, in der unattraktiven 2. Bundesliga zu Überleben, weil er (ähnlich wie Türkiyemspor, in dieser Saison allerdings ohne Aufstiegschancen) über ein recht großes Zuschauerpotential verfügt und er wohl nicht vor sich hindümpeln dürfte, wie es Blau- Weiß momentan vorexerziert. Drittelmann

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