piwik no script img

Kinkel will Honecker zurück

■ Bonn beharrt auf Rückführung des Krebskranken/ Kinkel: Behandlung auch in Deutschland möglich

Hamburg (dpa) — Die Bundesregierung beharrt auf einer Rückführung des krebskranken Erich Honecker nach Deutschland. Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) lehnte am Wochenende in Interviews von RIAS Berlin und der Dresdner 'Morgenpost am Sonntag‘ eine Zustimmung der Bundesrepublik zur Ausreise des ehemaligen DDR-Staats- und Parteichefs in ein anderes Land — etwa nach Chile zu seiner Tochter — ab. Dies gelte auch, wenn sich der Gesundheitszustand des 79jährigen, der sich seit Dezember 1991 in der chilenischen Botschaft in Moskau aufhält, verschlechtere. Eine medizinische Behandlung könne schließlich auch in Deutschland erfolgen, meinte Kinkel.

Nach Angaben seiner Anwälte ist Honecker schwer krebskrank und hat Metastasen in der Leber. Er habe „nur noch mit einer sehr begrenzten Lebensdauer“ zu rechnen, hieß es in der Stellungnahme. Nach Informationen der 'Welt am Sonntag‘ liegt ein Gutachten von drei russischen Ärzten vor, nach dem Honecker an einer „Krebserkrankung in der Spätphase“ leidet. Die Bundesregierung sei über diese Diagnose informiert worden. Honecker soll heute eine Gewebeprobe entnommen werden.

Bonn solle seinen Widerstand aufgeben und Honecker zu seiner Familie nach Chile ausreisen lassen, hatten die Anwälte gefordert. Laut 'Spiegel‘ glaubt die Bonner Regierung aber nicht an eine dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Honecker. Diese Behauptung der chilenischen Regierung sei der offensichtliche Versuch, „den Fall ins Humanitäre abzulenken“, zitierte das Blatt das Bonner Auswärtige Amt. Gegen Honecker besteht seit Dezember 1990 ein Haftbefehl der Berliner Justiz wegen der Todesschüsse an der Mauer und innerdeutschen Grenze. Anklage soll im Frühjahr erhoben werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen