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So wird man nirgends in Europa einkaufen

■ Vor den Toren der 420-Seelen-Gemeinde Eichstädt soll ein gigantischer Einkaufs- und Erlebnispark entstehen Die Landesregierung will dafür nur 60.000 Quadratmeter hergeben, der Investor geht jedoch von 70.000 bis 100.000 aus

Eichstädt. Bürgermeister Leys gibt sich zurückhaltend. »Die Gemeinde braucht es nicht unbedingt, die Region schon eher«, sagt er kaum euphorisch. Dabei wird vor den Toren seiner 420-Seelen-Gemeinde gerade etwas geplant, um das ihn wohl die meisten seiner KollegInnen im Osten Deutschlands beneiden würden. Ein riesiger Einkaufs-und Erlebnispark soll in Eichstädt, nur wenige Kilometer nördlich von Berlin gebaut werden. Arbeitsplätze und hohe Gewerbesteuereinnahmen sind dem Bürgermeister gewiß, Aufsehen erregt das Vorhaben obendrein. Denn das Eichstädter Projekt, gebaut nach den Vorbildern amerikanischer und kanadischer »Malls«, ist bislang einmalig in Europa. Und darauf ist Dr. Ashish Tripathi, Initiator der ganzen Sache und Kopf des Investoren-Konsortiums (darunter die kanadische Tripple Five Corporation und die Commerz-Immobilien) besonders stolz. Nicht schnödes Einkaufen in schnell errichteten Betonhallen verspricht er, sondern Erlebnis-Shopping. Ein riesengroßes Europa-Center wird entstehen, mit vielen kleinen und mittleren Ladengeschäften, Boutiquen und Fachmärkten. Und wenn fürs Einkaufen das Geld nicht reicht oder die Kids anfangen zu nerven, ist für Abwechslung gesorgt. Ein Schwimmbad, Delphinarium, Kinos und Kirmes-Rummel wird es geben, für die kulturelle Erbauung der Besucher sorgen Theater, Revuen, Seminare, Tagungen und Schulungen. Das Ganze ist überdacht, »dort draußen entsteht eine neue Stadt«, schwärmt Tripathi. Nur, jede Menge Platz braucht das Ding, und damit fangen die Probleme auch schon an.

Bürgermeister Leys spricht von insgesamt 70 Hektar Land — sämtlich im Privatbesitz — auf das die Investoren eine Kaufoption angemeldet haben. Das soll zwar nicht alles zubetoniert werden, aber eine Verkaufsfläche von 70.000 bis 100.000 Quadratmeter würden sie sich schon wünschen. Die Freizeitfläche soll ungefähr den gleichen Platz in Anspruch nehmen. »Das ist zuviel«, meint dazu die aus Vertretern mehrerer Ministerien bestehende Ansiedlungsgruppe des Landes Brandenburg. Florian Engels, Sprecher des Umweltministeriums konkretisiert: »Die Deadline liegt bei jeweils 30.000 Quadratmetern für Verkauf und Freizeit — also insgesamt 60.000 Quadratmeter. Das haben wir den Investoren schon mitgeteilt.« Doch Tripathi weiß von nichts.

Vom Land Brandenburg habe er die schriftliche Zusicherung, daß der Erlebnispark unbeschränkt groß werden könne. 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche seien auf jeden Fall zu klein. »Das ist unwirtschaftlich«, sagt er, die Freizeitangebote müßten schließlich durch die Ladenmieten finanziert werden. 60.000 Qaudratmeter sollten es schon sein, wenn nicht das ganze Konzept in Gefahr geraten soll. Tripathi glaubt, die Landesregierung doch noch von seinen Ideen überzeugen zu können und verweist dabei auf die Unterstützung durch den Landkreis Oranienburg. »Das Landratsamt befürwortet mein Vorhaben.« Recht hat er.

Erlebnis-Shopping und 15.000 Arbeitsplätze

Der Oranienburger Planungsamtsleiter Wolfgang Blankenburg zum Beispiel kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Seine Argumente: die Verkehrsprobleme sind lösbar, das Vorhaben schafft auf Dauer bis zu 15.000 Arbeitsplätze, Bedarf ist vorhanden, und das Einzugsgebiet ist groß genug, um ein derartiges Projekt verkraften zu können. »Die Kritiker sehen immer nur Eichstädt. Das stimmt so nicht«, meint Blankenburg. Schließlich liege das Dorf an der Achse, die der Landkreis laut Kreisentwicklungsplan vorrangig zu einem Industrie- und Dienstleistungsstandort ausbauen will. Die Nähe zum Zentrum der wirtschaftlich schwer geprüften Region Hennigsdorf/Velten, der geringe Abstand zu Berlin und die gute Erschließung des Gebietes durch Straße und Schiene lassen für Blankenburg Eichstädt zum idealen Standort werden. Gebraucht werde das Einkaufszentrum sowieso, der Kreis Oranienburg sei, was die Verkaufsfläche pro Einwohner anbelangt, noch ziemlich unterversorgt. Vehement wehrt Blankenburg sich auch gegen den Vorwurf, daß solche Großprojekte »auf der grünen Wiese« die Innenstädte veröden ließen. »Sie werden es nicht glauben«, sagt er, »bei uns ist genau das Gegenteil der Fall.« In den Städten — vor allem Oranienburg — herrsche Platzmangel, die Mieten stiegen und kleine Geschäfte könnten nicht mehr mithalten. Da kommt Tripathi mit seiner »Mall« gerade richtig. Bei Eichstädt werde nun, so hofft Blankenburg, schnell die nötige Verkaufsfläche geschaffen, wodurch die Innenstädte entlastet und die Mieten wieder sinken könnten. Keine Gefahr also für den kleinen Einzelhändler, sondern Hoffnung für den ganzen Landkreis. Eine weitere Folge der Ansiedlung wäre, so der Eichstädter Bürgermeister, daß sich in der Nähe des Erlebnisparks Kleingewerbe ansiedelte. Die umliegenden Gemeinden profitieren davon, sie wüchsen und gediehen.

Geld ist derzeit das größte Problem, der Gemeindeetat ist mit rund 400.000 Mark nicht eben üppig bestückt. Der begonnene Bau von Abwasserleitungen hat das Dorf »finanziell an den Rand gebracht«, die kommunalen Häuser und Straßen sind in einem katastrophalen Zustand, der verkommene Dorfanger soll saniert werden. »Ich hoffe, daß das bald wieder ein schönes Dorf wird«, sagt er und scheint deshalb dem geplanten Einkaufspark doch nicht so abgeneigt zu sein. Zusätzlich sind noch ein Golfplatz und ein Gewerbegebiet, für das sich auch schon einige Interessenten gemeldet haben, auf Eichstädter Gemarkung geplant. »Wenn das alles kommt, sind wir gut bedient«, blickt der gelernte Agraringenieur hoffnungsfroh in die Zukunft. Nur die Landesregierung könnte ihm jetzt noch einen Strich durch die Rechnung machen, auf die Potsdamer ist er deshalb nicht sonderlich gut zu sprechen.

»Da ist schon zuviel Zeit vergangen. Die Politik der Ansiedlungsgruppe ist katastrophal«, sagt er und verweist auf die langwierigen Verhandlungen des Investors. Die Hoffnung der Menschen in der Region könnte durch die ablehnende Haltung der Landesregierung zunichte gemacht werden. Florian Engels vom brandenburgischen Umweltministerium indes gemahnt der »Prinzipien«, die man »in der Politik einhalten muß«. Gänzlich abgeneigt sei sein Ministerium dem Vorhaben gegenüber zwar nicht — Umweltbedenken etwa beständen kaum — aber die geplante Größe verursache Bauchschmerzen. Der riesige Komplex, so seine Auffassung, werde bestimmend sein für die ganze Region, und das widerspreche der landesplanerischen Konzeption. Engels glaubt, daß in Brandenburg wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage einige Dinge verwirklicht werden sollten, die anderswo nicht durchzuführen waren. Trotzdem sei es das Anliegen seines Ministeriums, in Brandenburg nicht einfach alles abzusegnen, denn: »Unser Land soll auch noch in zwanzig Jahren erlebbar und schön sein.« Theo Weisenburger

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