: Steuerpaket: „Niederlage für die SPD“
SPD-Präsidium: Weiterhin „keinerlei Zweifel an Integrität Stolpes“/ Verfassungsklage wird geprüft ■ Aus Bonn Andreas Zumach
Der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Lafontaine hat den Abstimmungssieg der Bundesregierung im Bundesrat in der Mehrwertsteuerfrage als „strategische Niederlage“ seiner Partei gewertet. Nach der gestrigen Präsidiumssitzung der SPD reklamierte Lafontaine es jedoch als Erfolg seiner hartnäckigen Ablehnungsstrategie, daß das Steuerpaket der Bundesregierung im Verlauf der mehrmonatigen Debatte „wesentlich verbessert“ worden sei. Nach den am Wochenende bekanntgewordenen neuen Verdachtsmomenten gegen Brandenburgs Ministerpräsidenten Stolpe erklärte das Präsidium, es gebe „überhaupt keinen Zweifel an seiner Integrität“.
Die Erhöhung des Bundesländeranteils am Mehrwertsteueraufkommen von 35 auf 37 Prozent sowie die Erhöhung des Fonds zur Deutschen Einheit wertete Lafontaine als Erfolg seiner Partei. Außerdem entscheide sich die am letzten Freitag im Bundesrat verabschiedete Unternehmenssteuerreform „erheblich“ von dem ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung. Die „momentane Verärgerung“ über die Zustimmung der vom SPD-Ministerpräsidenten Stolpe geführten Landesregierung Brandenburgs zum Steuerpaket Bonns sei vorbei, erklärte Lafontaine. Künftig müsse „die Koordination“ zwischen der Partei, Bundestagsfraktion und SPD-Landesregierungen „verbessert“ werden. Zur am Wochenende in die Diskussion gekommenen Möglichkeit einer Verfassungsklage gegen das Steuerpaket stellte SPD-Bundesgeschäftsführer Blessing fest, diese werde, wenn überhaupt, „nicht von der SPD“ sondern allerhöchstens von SPD-geführten Landesregierungen geprüft.
Mit Blick auf die vom 'Spiegel‘ veröffentlichten neuen Verdachtsmomente gegen Stolpe erklärte der stellvertretende Parteivorsitzende Thierse, derzeit werde mit Hilfe der Stasi-Akten „in Kopfgeldmanier die jüngste deutsche Geschichte aufgearbeitet“. Dabei täten sich besonders Zeitungen hervor, die die DDR bis zuletzt in Anführungszeichen geschrieben hätten, jetzt aber unter diesem System geführte Akten als reine Wahrheit nähmen. Nach dem Scheitern des Systems des Staatssozialismus gehe es jetzt um die Zerstörung einzelner Biographien. Opfer sollten zu Tätern gemacht werden. Thierse bat um „mehr Differenzierung“ und warnte davor, die jetzt zum Vorschein kommenden Stasi-Akten alle „einfach für bare Münze“ zu nehmen. Auf mehrfache Nachfrage äußerte sich Thierse nicht eindeutig zu der Frage, ob zumindest hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Akten der „Fall“ Stolpes nicht vergleichbar sei mit dem des ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten de Maizière.
Siehe auch nebenstehendes Interview
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