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Dürer und Holbein als Fundgrube?

■ Die Malerin Claudia Hart zeigt in der Galerie Volker Diehl neue Arbeiten

Die Kunst treibt ihr Spiel zuweilen als angsteinflößende Mahnerin. Claudia Hart ist der modernen Kunst mit Rückbezug zur altmeisterlichen Bildsprache verpflichtet. Mit ihren Gemälden, die an Werbetafelslogans in altertümlichem Schriftzug erinnern, konfrontiert sie makabere Sprachbilder mit abstrakter Malerei.

Bilder sind zu sehen, die an gut durchgearbeitete Farbtafeln erinnern. In klarem weißem oder dunkelblauem Ton gemalt, entsteht ihre Wirkung. Die Flächen sind zum Teil durch Bleistiftlinien eingeteilt, während das Farbmaterial als dicke Paste quer über die Begrenzung der Leinwand hinausquillt. Die Künstlerin drängt es weiter. Nicht abstrakt und auf sich selbst bezogen, ist hier die Malerei vorgeführt, sondern sie ist mit Zitatbedeutung aufgeladen. Erst die Verbindung von Farbfläche und Schriftzeichen vermittelt die eigentümliche Botschaft. Ein Bild, das durch malerische Behandlung wie ein Grabstein aussieht, trägt die altenglische Inschrift: »The MIRROR which Flatters not« — der Spiegel, der nicht schmeichelt. Die Leinwand wird bei Claudia Hart zur theatralischen Enthüllung: Ein Mann mit Hörnern auf dem Kopf streckt speiend die Zunge heraus. Laszive Pin-ups bleiben, mit groben Strichen gezeichnet, nur derb-grinsende Wunschbilder. Claudia Harts Spiegelfechterei ist gemalt, die Illusion der Selbstbetrachtung außer Kraft gesetzt. Was ist wahrnehmbar, was ist wirklich? Der Spiegel ist in seiner Nichtexistenz zugleich als Begriff (Mirror) anwesend und stellt die Frage nach einer Erkenntnis, die jenseits des Sichtbaren und vielleicht auch des Denkbaren liegt. Der Künstlerin geht es nicht um eine eindeutige Botschaft des Bildes, sondern vielmehr um deren Verrätselung.

Ein anderes Gemälde mit dem Titel Evil (Teufel) ist augenfällig von der Künstlerin in Dürermanier signiert. Mit gleichem Schriftzug heißt es dort: »Children are like pancakes, you should throw the first one out.« Ist diese diabolische Aufforderung, das erstgeborene Kind wie einen schlecht gebackenen Pfannkuchen in den Müll zu werfen, ironisch lieb gemeintes Zitat von der Mutter der Künstlerin (»Shirley Hart, Mother«) oder eine barbarische Gebrauchsanweisung? Andere Bilder dieser Grufti-Kunst zwischen Tod und Teufel tragen die Worte Lie (Lüge) und Defy (Mißachtung). — Die einzelnen Buchstaben greifen auf den Fundus der Kunst von Holbein, dem Jüngeren zurück, der 1524 ein »Totentanz-Alphabet« als Holzschnitt veröffentlichte. Zum Beispiel ist der »Sensenmann« als Zeichen des Todes in die Gestaltung eines Buchstabens integriert und verdeutlicht eine allgegenwärtige existentielle Gefahr.

Hinter der Fassade der Zivilisation lebt der Mensch im Wahnsinn zwischen der Dunkelheit der Nacht und dem strahlenden Licht des Tages. Der Schrecken ist nicht durch seine bildliche Gegenwart präsent, sondern bleibt unsichtbare und zugleich reale Bedrohung. Die Buchstaben des Holbein-Alphabets verweisen auf die Zweidimensionalität der Bildfläche und zitieren zugleich etwas Außerbildliches: Symbole des »Game over«. Wie das tödliche Risiko personifiziert aussehen könnte, zeigt ein anderes Gemälde: Im Mittelalter traute man seinen Augen noch. Das Böse hatte eine Fratze, war eine Mischung aus Tier und Mensch, hatte Hörner oder trug eine Krone. In einer Systematik, als ginge hier die Inquisition zu Werke, zitiert die Künstlerin Porträts aus dem Horrorkabinett.

Es ist schwierig, mit der bedeutungsschweren Sprache vergangener Zeiten gegenwartsgemäße Aussagen zu treffen. Zu leicht ist dort, wo Blut fließt, Ketchup im Spiel, und die Geisterbahn bleibt ein effektvoller Trick. Die Malerei von Claudia Hart ist zwar einer wirkungsvollen Rhetorik verpflichtet, sie bringt dennoch den Daily Horror ans Tageslicht. Eine Konstruktion, die mit symbolgeladener Etikettierung arbeitet und Aussagen über die Realität trifft. Die Bildzeichen sind durch den drastischen Rückgriff auf die Zeit der Pest und durch die Vermittlung nicht augenscheinlicher Phänomene motiviert.

Wäre der Tod im banal-langweiligen Alltag ein offensichtlicher Begleiter nach dem Motto »Children are like pancakes...« — die Abfallcontainer wären gefüllt. Herbert Jochmann

Die Arbeiten von Claudia Hart sind noch bis zum 11. März, in der Galerie Volker Diehl, Niebuhrstraße 2, Charlottenburg, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10-12.30 und 14.30-18.30, Samstag 11-14 Uhr.

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