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Tomba der Damen

■ Die Italienerin Deborah Compagnoni gewann überlegen den Super-G

Meribel (taz) — Ganz Frankreich hatte gestern den Roc de Fer von Meribel im Blick. Nachdem sich die Geschwister Duchesnay dem russischen Eisfeuerwerk beugen mußten, ruhten die Hoffnungen der Gastgeber auf Carole Merle, der Favoritin im Super-G. Und bald schon erhob sich wilder Jubel im Zielraum, denn bereits mit der Startnummer 4 kam die Französin die vom US-Trainer Hager sehr eng gesteckte Piste heruntergebraust. „Carole, Carole, oui, oui, oui“, brüllten die Fans, und Carole legte, als sie der tobenden Menge ansichtig wurde, pflichtschuldigst noch einen Zahn zu. Vier Läuferinnen waren bei der Einfahrt zum Zielhang schneller als Merle, dreien von ihnen nahm sie auf dem letzten Stück jene Zehntel ab, die ihr schließlich die Silbermedaille brachten.

Nur die Italienerin Deborah Compagnoni war an diesem Tag nicht zu schlagen und rauschte mit dem komfortablen Vorsprung von 1,41 Sekunden durchs Ziel. „Ich habe gleich nach dem Start gemerkt, daß ich gut auf den Skiern stehe“, strahlte sie mit der an diesem Tag über Meribel leuchtenden Sonne um die Wette. Auch für Michaela Gerg, hochzufrieden mit ihrem siebten Platz, kam Compagnonis Sieg keineswegs überraschend. „Sie war meine Geheimfavoritin“, verriet die 26jährige Lenggrieserin, „sie ist der kleine Tomba der Damen.“ Ein Vergleich, der angesichts der kompakten 21jährigen aus Bormio auch Bronzemedaillengewinnerin Katja Seizinger einfiel: „Sie fährt tombamäßig.“

Katja Seizinger gehörte neben den Österreicherinnen Petra Kronberger und Ulrike Maier auch im Super-G zu denen, die bei der letzten Zwischenzeit vor Carole Merle lagen. Doch just in diesem Augenblick geriet sie ins Schleudern und hatte Mühe, einen Sturz zu vermeiden. „Nach diesem Bock habe ich gedacht, kannst aufhören“, berichtete die 19jährige, die sich auf diesem Kurs, der „eher ein Riesenslalom war“, ohnehin wenig Hoffnungen gemacht hatte. Im Ziel griff sie sich entsetzt an den Kopf und schüttelte denselben voller Ärger.

Zu ihrer eigenen Überraschung und zur Freude des alpinen deutschen Skiteams reichte es jedoch zu Bronze, wenn auch nur eine Hundertstelsekunde, einen winzigen Zentimeter, vor Petra Kronberger. „Ich hätte die Bronzemedaille gern mit Petra geteilt“, sagte Katja Seizinger mitfühlend und fügte aus leidvoller Erfahrung hinzu: „Es gibt nichts Schlimmeres, als Vierte zu werden.“ Die Österreicherin selbst sah das Ganze viel lockerer: „Schoad', aber ich habe auch schon mal mit einem Hundertstel gewonnen. Das ist halt der Sport.“

Und während auf der Piste noch die nordafrikanische Meisterschaft entschieden wurde, die die Marokkanerin Nawal Slaoui (Startnummer 58) mit rund viereinhalb Sekunden vor Nacera Boukamoum (Startnummer 59) aus dem algerischen Bouira, aber einer halben Minute Rückstand auf Compagnoni gewann, steckten Carole Merle, Katja Seizinger und Petra Kronberger bereits in einem Pulk neugieriger Journalisten.

Nur die Siegerin hatte relative Ruhe. Nur fünf der sonst so heuschreckenartig auftretenden italienischen Pressevertreter weilten im Zielraum von Meribel. Der Rest war bei Tomba. Dem großen. Matti Lieske

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