: Schwulenhatz auf der Isle of Man
Selbstmorde nach Verhaftungswelle/ Homosexuelle können zu lebenslanger Haft verurteilt werden/ Verfassungsrechtlicher Sonderstatus/ Symbolisches „Outing“ von vier Kriegshelden ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Die Polizei auf der Isle of Man macht seit der vergangenen Woche Jagd auf homosexuelle Männer. Innerhalb weniger Tage wurden 21 Männer verhaftet und wegen „grober Unanständigkeit“ angeklagt. Die Aktion hat bisher zwei Selbstmorde ausgelöst: Der 35jährige geschiedene Kevin David McCauley vergiftete sich am Strand mit den Abgasen seines Autos, nachdem er am letzten Mittwoch angeklagt worden war. Zwei Tage zuvor hatte sich Derek Wild, ein Aktivist für Schwulenrechte, im Garten seines Hauses erschossen, als die Polizei ihn zu einem Verhör abholen wollte.
Männer können auf der Isle of Man wegen Homosexualität zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt werden. Die Insel gehört zwar der britischen Krone, genießt jedoch einen verfassungsrechtlichen Sonderstatus. Britische Gesetze gelten nur dann, wenn sie vom Inselparlament, dem Tynwald, ausdrücklich übernommen werden. Das Parlament, das aus einem von London bestimmten Gouverneur, einem Legislativrat mit elf Mitgliedern und einem aus 24 gewählten Abgeordneten zusammengesetzten Unterhaus besteht, hat eigene Zoll- und Steuerhoheit und einen Sonderstatus auch in der Europäischen Gemeinschaft.
Die Schwulenhatz auf Man ist freilich nicht neu: Sie findet regelmäßig statt, wenn das Parlament wieder einmal über die Aufhebung des diskriminierenden Gesetzes debattieren muß — zuletzt vor einem Jahr. Die nächste Debatte steht im März an. Die „Straftaten“, die den Verhafteten angelastet werden, sollen sich allesamt im Januar in einer öffentlichen Toilette vierhundert Meter vom Polizeirevier entfernt ereignet haben. Alan Shea, der im vergangenen Jahr vergeblich als Vertreter der Schwulen für das Abgeordnetenhaus kandidiert hatte, sagte: „Die Situation ist völlig außer Kontrolle geraten. Die Politiker weisen jede Verantwortung von sich. Sie sagen, die Polizei sei nicht unter ihrer Kontrolle.“
Ein Sprecher der Polizei behauptete, daß sich zwei Anwohner über den „Mißbrauch der öffentlichen Toilette“ beschwert hätten. Allerdings mußte er zugeben, daß niemand eine Belästigung angezeigt habe. Derek Wild sollte angeblich wegen eines Verkehrsdelikts vernommen werden. Shea bestritt das. Er sagte, Wild sollte einzig wegen seiner Arbeit in der Schwulenszene verhaftet werden. Die Ereignisse haben die Schwulenszene auf der Isle of Man in Angst versetzt. Man befürchtet, daß der Polizeichef Robin Oake, ein wiedergeborener Christ, ein Exempel statuieren will. „Die Isle of Man sollte in Todesinsel umbenannt werden“, sagte Shea. „Es gab hier so viele Selbstmorde.“
Für heute ist eine Mahnwache im Park der Hauptstadt Douglas geplant. Fred Kissack, Staatssekretär des Tynwald, behauptete dagegen: „Die Verhaftungen beruhen nicht auf einer Regierungsinitiative. Wir haben der Polizei keinerlei Instruktionen in dieser Richtung erteilt. Es gibt keine Beweise, daß die Polizei ihre Macht mißbraucht. Im Vereinigten Königreich würden diese Vergehen ebenso verfolgt.“
Dort plant die Schwuleninitiative „Outrage“ für morgen in London ein öffentliches „Outing“ von vier der berühmtesten Offiziere der britischen Geschichte: Admiral Mountbatten, Onkel der Queen und ehemaliger Vizekönig von Indien, sowie die Feldmarschälle Kitchener, Haig und Montgomery sollen als Schwule „enttarnt“ werden. Als Beweis hat die Organisation Aussagen anderer Offiziere vorgelegt. Outrage will damit gegen die Heuchelei protestieren, homosexuellen Männern den Eintritt in die Armee zu verwehren. Im Rahmen der Aktion sollen die Statuen der vier Kriegshelden mit rosa Federboas und Plakaten geschmückt werden.
Das Outing ist Teil einer Kampagne für die Aufhebung der militärischen Anti-Schwulen-Gesetze. Zwischen 1987 und 1990 sind 306 Männer wegen Homosexualität aus der britischen Armee entlassen worden. „32 davon wurden in den Knast gesteckt — wegen sexueller Aktivitäten, die unter Zivilisten nicht strafbar sind“, sagte Nick Cave von Outrage. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wies darauf hin, daß ein Unterhaus-Ausschuß im vergangenen Jahr empfohlen habe, das Verbot der Homosexualität in der Armee beizubehalten, die Bestrafung jedoch aufzuheben. Bis heute habe die Regierung darauf jedoch nicht reagiert.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen