: Das Pentagon malt sich seine Zukunft
■ Geheimes Planungspapier enthält sieben Kriegsszenarien/ Interventionen vom Nahen Osten bis ins Baltikum
Washington (wps/taz) — Die Fähigkeit zur „flexible response“ hat das US-Verteidigungsministerium unter Beweis gestellt. Nach dem Gewinn des Kalten Krieges, dem Verlust des Erzfeindes Sowjetunion und einer Inflation gemeinsamer US-russischer Abrüstungsinitiativen haben Pentagon-Planer sieben Kriegsszenarios entworfen, die die Grundlage für langfristige Haushalts- und Militärplanungen darstellen sollen. Das bislang geheime 70-Seiten-Papier wurde der 'New York Times‘ zugespielt, die in ihrer Montagausgabe darüber berichtete.
Demnach stellen sich die Planer Mitte der 90er Jahre eine neue Invasion des Iraks in Kuwait und Saudi- Arabien vor, auf die sich die USA nicht wie im Golfkrieg sechs Monate lang vorbereiten können. Auch wird daran gedacht, daß Nordkorea eine Friedensinitiative nutzt, um Südkorea anzugreifen. Das dritte Szenario geht davon aus, daß beide Konflikte zu selben Zeit passieren.
Im Bereich der baltischen Staaten denken die Autoren daran, daß ein „expansionistisches, autoritäres Regime“ in Rußland an die Macht kommen und Autonomie für die Russen im Baltikum fordern könnte. Nach einer Eskalation könnte es zu einem Angriff kommen, den Weißrußland entlang der polnisch-litauischen Grenze unterstützen würde. Die Planer erwarten einen Hilferuf Litauens an die Nato, dem das Bündnis nachkommen würde.
Fünftes Szenario ist ein Putsch auf den Philippinen 1999, bei dem rund 5.000 Amerikaner festgehalten werden. Außerdem stellen sich die Militärs einen Konflikt in Panama vor, bei dem rechtsgerichtete Kräfte den Panama-Kanal unter Kontrolle bringen wollen. Siebtes Szenario im Jahr 2001 wäre, wenn „eine Nation oder eine Koalition von Nationen“ eine gegen die USA gerichtete Sicherheitspolitik betriebe und durch einen globalen militärischen Wettbewerb US-Interessen bedrohen könnte.
Hinter diesen Plänen dürfte sich vorerst weniger eine neue Militärstrategie verbergen als vielmehr ein klares Signal an den US-Kongreß, um weitere Kürzungen oder Kündigungen weiterer Rüstungsaufträge zu vermeiden. Der Status der USA als einzig übriggebliebenen militärischen Supermacht, aber auch das enorm große Haushaltsdefizit der USA haben Kürzungen im Verteidigungshaushalt zunehmend populär gemacht. Das Pentagon selbst hatte in den letzten Monaten angeboten, sein Budget in den nächsten fünf Jahren um 50 Milliarden Dollar zu kürzen.
Betrachtet man allerdings die sieben Kriegsszenarien als zukünftige Planungsgrundlage, so könnte dieser Trend gestoppt, wenn nicht sogar umgekehrt werden. Sie zeigen zumindest deutlich, daß das Pentagon bislang noch nicht bereit ist, sich auf eine drastisch reduzierte Armee einzustellen. anb
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen