: Berliner Kripo bei Bremer Anwalt
■ „Vereinigungskriminalität“ bei Anwalt Stierunger & Krahmer-Firmen gesucht
Das schnuckelige Bremer Haus in der Mühlfeldstraße 49 macht einen bescheidenen Eindruck. Am Mittwoch kam die Kripo aus Berlin angereist, Dezernat „Regierungs- und Vereinigungskriminalität“, um hier Akten sicherzustellen: Bremen erscheint der Polizei als Schaltzentrale eines versuchten Millionen-Coups. An insgesamt 31 Orten schlug die Kripo mit mehr als 100 Beamten zu und stellte nach eigenen Angaben „umfangreiches Beweismaterial“ sicher.
Offiziell seit Dezember wird gegen den Bremer Kaufmann Heinz Krahmer ermittelt. Der starb Anfang Januar im Alter von 51 Jahren in Singapur an Herzversagen. „Völlig unerwartet“, stand in der großzügigen Todesanzeige, „sein Leben war bis zur letzten Stunden geprägt von Begeisterung und Hingabe an unternehmerisches Handeln“.
Mitbeschuldigter ist der Bremer Notar und Testamentsvollstrecker Krahmers, Hans-Jürgen Stieringer. Der Schaden insgesamt wird von der Staatsanwaltschaft auf 100 Millionen geschätzt. Zu Stieringer kam die Kripo auch in die Kanzlei.
Der Bremer Bauunternehmer Krahmer hatte seine Chance im Ostgeschäft gewittert und sich für die vier Firmen der Elbo-Gruppe (insgesamt 18.000 Arbeitnehmer, Umsatz 2 Milliarden) interessiert. Im Sommer 1991 war er mit Bundesverkehrsminister Krause in die Schlagzeilen geraten, als Vertreter von Krahmer- Firmen behaupteten, der Minister persönlich habe für der Elbo- Gruppe mündlich den Zuschlag für Autobahn-Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern gegeben.
Eine Milliarde hätte Krahmer für den Kauf aufbringen müssen — nach Ansicht der Treuhand konnte er schließlich keinen Nachweis über die Kaufsumme beibringen, im September brach die Treuhand die Verhandlungen ab. Inzwischen hatten aber Krahmer und sein Firmen-Geflecht, das in Bremen unter Namen wie „Karina“ und Kracon“ firmiert, die Elbo mit über 100 Verträgen an sich gebunden und im März 1991 über eine neu gegründete Dachgesellschaft über 71 Millionen Mark auf Konten des Bremer Notars Stieringer überwiesen. Durch unzutreffende Angaben habe Stieringer Kreditbürgschaften über 120 Millionen erschlichen, behauptet die Treuhand, die Karina-Gruppe habe zudem 32,6 Millionen Mark an Beraterhonoraren kassiert, ohne daß es dafür angemessene Gegenleistungen gegeben habe. Von den 71 Millionen seien nur 58 Millionen zurückgeflossen. Angestellte der Bremer Karina- und der Kalcon-Firmen verwiesen gestern für Auskünfte nur auf den Notar Stieringer, der als „Testamentsvollstrecker“ und „Pressesprecher“ bezeichnet wurde. Stieringer selbst hatte die Vorwürfe generell bestritten, ließ sich aber gestern in Bremen verleugnen.
Vor Gericht streiten Treuhand und Krahmer-Testamentsvollstrecker bereits seit Monaten über die Gültigkeit von Vorkaufsrechten. Krahmer hatte sich damit 51 Prozent der vier Elbo-Unternehmen sichern wollen.
Diese Optionen will Stieringer unter keinen Umständen an die Treuhand abgeben. Seit Dezember sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs hinzugekommen. K.W.
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