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Road-Movie der 80jährigen

■ „Börn Naturunnar/Children of Nature“ — eine isländische Passion

Der Himmel so blau, das Gras so grün, ein Mann mit Bartstoppeln so grau. Er humpelt über die Hügel — langsam; hinter ihm humpelt ein Hund — noch langsamer. Wind streicht über das Land, der Alte hält eine Pistole in der Hand, schießt, der Hund ist tot.

Altwerden ist Passion. Börn Naturunnar von Fridrik Thor Fridriksson ist ein Film über Altern und Sterben. — Aber noch kein Grund zur Depression. Nicht der Tod ist das Entscheidende, sondern wie man mit dem Sterben lebt.

Der Farmer nimmt einen Koffer in die Hand. Das Bild seiner Frau und eine Pendeluhr nimmt er von der Wand. Dann geht er. Schwerfällig. Die behäbig geführte Kamera, die verharrenden Einstellungen beschreiben ihre Gegenstände mimetisch, entwickeln eine Ästetik der Langsamkeit: im Alter läuft es nicht mehr so schnell. Der Mann macht eine unerfreuliche Stipvisite bei der Familie seiner Tochter, landet dann im Altersheim. Dumpf wird dort gelebt, stumm verendet. Auch eine Jugendfreundin von ihm ist dorthin abgeschoben. Und sie hat einen Traum: Sie will sterben, wo beide geboren sind, auf Hornstrandir in den westlichsten Fjords. Fridriksson schickt seine alten Leute auf die Reise: Sie hauen ab aus dem Heim, räumen ihre Sparkonten, kaufen weiße Turnschuhe und klauen einen Jeep. Mit zittrigen Greisenhänden, aber wunderbar selbstverständlich schließt der 79jährige die Zündung kurz. Der Road-Movie beginnt, das Leben pulsiert wieder — sagen wir, mit 30 Stundenkilometern — und auch der Film läuft etwas schneller. Die Beiden nehmen ihren Weg durch die von Ari Kristinsson fotographierte Landschaft Islands. Mal ist sie idyllisch bis zum Wehtun, mal so steinern, daß es einen friert. Wenn es für die Alten zu brenzlig wird, lösen sie sich einfach in Luft auf. Dieser Schuß Mystik schadet nicht, sondern macht den Film immer wieder verblüffend leicht. Nur bei der Nebenhandlung geht dem Regisseur die gestalterische Kraft aus. Ganz anders, wenn er sich auf seine beiden Hauptdarsteller konzentriert. Allein der barsche Mund von Gisli Halldorsson lohnt, immer wieder hinzuschauen.

Die Freunde erreichen ihr Ziel — um zu sterben. Altern ist Passion. Aber wie man dem Tod entgegengeht, ist das Entscheidende. Und ob am Schluß ein Engel erscheint. Bascha Mika

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