: In Bukarest platzen die goldenen Privatisierungsträume
Obwohl das rumänische Privatisierungsgesetz hoch gelobt wird, bleibt das Interesse der Bevölkerung und ausländischer Investoren bislang aus/ Startschuß wird durch Bürokratie und ein undurchschaubares Chaos bei der Betriebsbewertung verzögert/ Den Rumänen fehlt das Geld ■ Aus Bukarest Keno Verseck
Wenn der Winter zu Ende geht, beginnt in der rumänischen Metropole eine traurige Jahreszeit. Die Betongigantomanie entlang der großen Boulevards im Zentrum wirkt noch bedrückender als sonst. Tristesse herrscht auch im Hauptquartier der Nationalen Privatisierungsagentur (ANP). Auf den Fluren hängen vergilbte Luftaufnahmen der einst gelobten Trabantenstädte; im Pressezimmer beträgt die Temperatur auch zwei Jahre nach der Revolution kaum mehr als zwölf Grad.
Die Szenerie entspricht weder den ehrgeizigen Plänen, die man in der ANP hegt, noch dem Optimismus, der in der Behörde verbreitet wird. Mehr als anderthalb Jahre sind seit der Gründung der Agentur im Juli 1990 verstrichen: Ende August 1991 wurde nach zehnmonatigem Hin und Her ein auch im Westen vielgelobtes Privatisierungsgesetz verabschiedet. Praktisch steht aber der Transformationsprozeß des Eigentums noch ganz am Anfang. Die Überführung der staatlichen Betriebe in etwa 6.400 Kapitalgesellschaften ist zwar abgeschlossen; sie befinden sich jedoch noch in Staatsbesitz. Darunter sind 140 sogenannte Regiebetriebe. Diese Großunternehmen, deren Aktiva nach ANP-Angaben etwa 40 Prozent des gesamten Staatsvermögens ausmachen, sollen auch in Zukunft beim Staat verbleiben.
Verzögert haben sich Reformpläne schon unter der Roman-Regierung, die während der Septemberunruhen zurücktreten mußte. Doch in der Behörde will man davon nichts hören. Lucian Zamfir, einer der ANP-Abteilungsleiter, sieht die vergangenen zwei Jahre als Vorbereitungsphase: „Die Privatisierung konnte nicht am Tage der Revolution (22.12.1989, Anm. d. Red) beginnen. Wir mußten alles sehr genau und sorgfältig analysieren.“
Ginge es nach Premierminister Theodor Stolojan, der selbst einmal ANP-Chef war, würden in Zukunft keine Kompromisse mehr gemacht. Er will die Bestimmungen des Privatisierungsgesetzes konsequent umsetzen. Vorgesehen ist laut dem Gesetz, 30 Prozent des gesamten Staatseigentums an die rumänische Bevölkerung zu verteilen. Fünf nach Branchen gegliederte Vermögensfonds, deren Etablierung im Juni abgeschlossen sein soll, werden Anteilsscheine ausgeben, die später in Aktien umgewandelt werden können. Die restlichen 70 Prozent verwaltet ein Staatsvermögensfonds.
Wie im Nachbarland CSFR wird in Rumänien zwischen „großer“ und „kleiner“ Privatisierung unterschieden. Während es sich bei ersterer um einen reinen Aktienverkauf handelt, werden bei der kleinen Privatisierung sogenannte Handelseinheiten wie kleine Dienstleistungs- und Produktionsbetriebe, Hotels, Restaurants oder Läden auf Auktionen versteigert. Gesetzlich verankert ist darüber hinaus eine Frühprivatisierung, im Zuge derer der Umwandlungsprozeß einiger Betriebe begonnen werden soll, bevor die Fonds geschaffen sind.
Der Erfolg des als Testlauf gedachten ersten Privatisierungslaufs, für das die ANP Mitte Oktober 23 profitable Unternehmen auswählte, läßt noch auf sich warten. Laut Plan soll das Programm im Juni abgeschlossen sein. Aber allein die Bilanzierung der Unternehmen, eines der größten Probleme bei der Privatisierung, wird bis Mitte April dauern. Nachdem veraltete Bewertungsmethoden und gefälschte Bilanzen ein unüberschaubares Chaos verursacht haben, will man sich nun mit Hilfe westlicher Unternehmensberater einen besseren Überblick verschaffen.
Mit einer herben Enttäuschung begann die kleine Privatisierung, auf deren ständig erweiterter Liste jetzt 3.000 Handelseinheiten stehen. Ende Januar wurden in Focsani bei der landesweit ersten Auktion 44 kleinere Industriemühlen zum Kauf angeboten. Doch das Interesse blieb gering: Lediglich die Hälfte konnte zu Preisen zwischen 110.000 und 681.000 Lei (480 bis 2.960 Mark) losgeschlagen werden.
Die Regierung hatte auf den kapitalkräftigen Einsatz der Bevölkerung gehofft. Genau damit hapert es aber, trotz aller Vorkaufsrechte und Rabattregelungen. Den meisten Rumänen fehlt das Geld, und die wenigen kapitalkräftigen Unternehmer sind an einer langwierigen und kurzfristig wenig gewinnträchtigen Sanierung maroder Firmen nicht interessiert. Sie treiben lieber Handel mit äusländischen Waren, die satte Profite abwerfen.
Es bleibt die Hoffnung auf ausländische Investoren. Lucian Zamfir gibt sich optimistisch, um dann schnell auf ein anderes Thema zu kommen. Offenbar fürchtet die ANP die weitverbreitete nationalistische Stimmungsmache gegen ausländisches Kapital, die neben der Vielzahl bürokratischer Hürden ein geradezu investitionsfeindliches Klima geschaffen hat. Die Folge: Bis Mitte 1991 betrugen die Auslandseinlagen lediglich rund 260 Millionen US- Dollar. Bleiben aber Investitionen und Privatisierungseinnahmen aus, könnte der gesamte Transformationsprozeß in Gefahr geraten, denn die Restrukturierung der zerrütteten Wirtschaft soll über die Erlöse aus Unternehmensverkäufen erfolgen. Selbst den staatlichen Regiebetrieben drohen dann Subventionskürzungen. Zudem hat Industrieminister Dan Constantinescu angekündigt, daß selbst ökonomisch wichtige Unternmehmen, die ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen können, in Zukunft dichtgemacht werden.
Angesichts all dieser Schwierigkeiten ist es rätselhaft, woher die ANP-Mitarbeiter ihren Optimismus nehmen. Ion Tiriac, Mercedes-Generalvertreter im Land, wetterte kürzlich im rumänischen Fernsehen: „Rumänien hat zwar die fortgeschrittensten Gesetze für die Einführung der Marktwirtschaft, aber die sind praktisch nicht durchführbar.“
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