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Auswanderer fast in Container erstickt

In einem Container, der sie nach Kanada bringen sollte, waren mehr als fünfzig Inder dem Erstickungstod nahe/ Sie konnten sich selbst befreien/ Dem Menschenschmuggler droht kaum Strafe  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Aus akuter Lebensgefahr haben sich am Donnerstag gerade noch mehr als fünfzig Inder befreien können, die von professionellen Menschenschmugglern im niedersächsischen Schneverdingen in einen nahezu luftdichten Container eingeschlossen worden waren. Die Inder im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, unter denen sich anerkannte Flüchtlinge, Asylsuchende und auch legale Arbeitsimmigranten befanden, hatten gegen eine Zahlung von 5.000 DM mit Hilfe der mindestens sechsköpfigen Schmugglergruppe nach Kanada auswandern wollen.

In dem Container, in den die mehr als fünfzig Sikhs gegen zwei Uhr in der Nacht zum Donnerstag gesperrt wurden, mangelte es an Wasserflaschen; als Verpflegung war nach Polizeiangaben lediglich „eine Kiste mit Keksen und ähnlichem“ vorhanden, für die Notdurft stand ein einziger Blechbehälter zur Verfügung. Dennoch hatten die Schlepper einen Transport des zwölf Meter langen und 2,50 Meter breiten Behälters per Lkw nach Bremerhaven und am Donnerstag weiter per Schiff nach Buffalo im US-Bundesstaat New York bereits fest gebucht. Abtransportiert zu der etwa achttägigen Reise wurde das menschenunwürdige Behältnis, in das 44 stangenförmige Liegen eingeschweißt waren, nur deswegen nicht, weil sich die Auswanderer mit Hilfe eines zufällig wohl beim Einbau der Notbetten vergessenen Zwei-Kilo-Hammers selbst aus ihrem Gefängnis befreien konnten. Bis dahin hatten allerdings schon eine ganze Reihe der Männer aus Sauerstoffmangel das Bewußtsein verloren.

Von einer dramatischen Situation, in der es um Leben und Tod ging, sprach gestern der Sprecher der Kripo Soltau, Jürgen Weinrich. In dem fast luftdichten Container, der offenbar nur einzelne stiftgroße Löcher in den Stahlwänden gehabt habe, seien alle 44 Liegen und auch der Mittelgang belegt gewesen, so daß sich darin möglicherweise bis zu hundert Personen befunden hätten.

Schon kurz nach dem Betreten des Containers, bei dem den Indern die Papiere und auch alles Geld außer Dollars abgenommen wurde, habe sich im Innern ein Streit um die Wasserflaschen entwickelt. Als nach einigen Stunden die ersten der Eingesperrten Atemnot befiel, hätten sich die Inder durch Klopfen und Schreien bemerkbar zu machen versucht. Erst mit dem zufällig gefundenen Hammer sei es gelungen, Luftlöcher in den Metallbehälter zu schlagen. Ein Loch hätten die Eingesperrten schließlich am Mittag so erweitern können, daß sich auch das Vorhängeschloß an der Containerklappe abschlagen ließ.

Als Hauptverdächtigen des Menschenschmuggels hat die Polizei schon gestern einen 49jährigen aus dem Landkreis Harburg ermittelt, der erst vor kurzem beim Einschmuggeln einer Gruppe von Sikhs in das kanadische Halifax verhaftet und anschließend in die BRD abgeschoben worden war. Bei einer Hausdurchsuchung wurden bei dem Mann Unterlagen der Inder gefunden. Den Auftrag für den Containertransport hatte der Mann noch selbst storniert, nachdem sich die Inder befreit hatten. Der Menschenschmuggel selbst ist nach Polizeiangaben nicht strafbar, ermittelt wird gegen den Mann und seine fünf bekannten Helfer nun wegen fahrlässiger Körperverletzung und versuchten Totschlags. Haftbefehl wurde gegen ihn allerdings nicht erlassen. Von seinen Opfer aus Indien hat die Polizei nur 37 vernehmen können, die übrigen hatten sich vorher schon selbständig auf den Heimweg gemacht.

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