Die Fotos des Mr. Logo

■ Des Top-Designers Rohmaterial: 40 Jahre Fotogeschichte vom Erfinder des Logos der Deutschen Bank / Eine Ausstellung

hierhin bitte

das Foto von der

Straßenkreuzung

mit Fahrspuren

im Schnee

Anton Stankowsi: „Schneegrafik“ (1936)

In Stuttgart kennen ihn die Leute, in Gelsenkirchen weiß zur Not noch die Kulturszene bescheid, weil er da ein Museum hat. Hierzulande tritt erst der Aha-Effekt ein, wenn man an ein ganz schlichtes Firmenzeichen erinnert: Anton Stankowski (85), Bergarbeitersohn aus dem Pott, Top-Designer aus Stuttgart, ist der Erfinder des Deutsche Bank- Logos, des Quadrats mit dem diagonalem Balken. Daß Stankowski überdies viele Jahre lang spannende und großartige Fotos gemacht hat, erfahren wir jetzt in einer Ausstellung der Lichtbild- Galerie in Worpswede.

Die 20er: Futuristen, Konstruktivisten, das „neue Sehen“, weg mit dem ganzem Kitsch der Vielzu-Spätromantik, der erstarrten kleinbürgerlichen Ästhetik, weg mit dem ganzen Weichgezeichne und all der sentimentalen Überhöhung. In der Klasse des Bauhaus- Infizierten Max Burchartz an der Folkwang-Schule in Essen lernt der Anstreicher Anton Stankowski neben Gebrauchs-Grafik und Raumgestaltung „Neue Fotografie“.

Der (technische) Gegenstand steht im Mittelpunkt des Interesses, Textur und Struktur der Dinge, das kontrastreiche Verhältnis von Licht und Schatten, starke Untersicht oder Vogelper

spektive. Überall wird mit dem sich schnell entwickelnden Medium experimentiert: Fotogramme (Belichtung des Films ohne Kamera), Mehrfachbelichtungen, spätestens seit Heartfield Fotomontagen.

Anton Stankowski nimmt alles mit. Anders als seine Kollegen Heartfield, Renger-Patzsch oder August Sander, die formal konsequent einen Weg einschlugen, war Stankowski immer neugierig und nie festzulegen. Ein Eklektiker. Im Einzelfall aber immer wieder ein Genie. Thema Licht / Kontrast: „Begrüßung, Rüdenplatz Zürich“ (1929), ein unglaublicher Moment ist da eingefangen, zwischen Autos und Schattenrand. Die Obersicht irritiert ebenso wie die beiden Diagonalen, über die das Bild funktioniert. Oder das Thema „Zeit im Bild“: Ein großer Wagen passiert einen Gendarm in Richtung der Bilddiagonale, die Belichtungszeit ist lang, der Wagen verwischt. Eine andere Aufnahme heißt direkt „1/100 sec bei 70 km/h“ (1930). Thema „Fotogramm“: Für ein sog. Nudogramm wurde ein nacktes Baby direkt auf Fotopapier gelegt.

Anton Stankowski ist von einem Mythos umgeben, zu dem er selbst beitrug. „Die Einheit von freier und angewandter Kunst“ heißt der Titel des Werkverzeichnisses von Stefan von Wiese; er selbst hat eine Stiftung gegründet, die alle zwei Jahre den preist, der am schönsten Fotokunst und Design miteinander verbindet.

Zum 85. Geburtstag letztes Jahr, es gab drei Stankowski- Ausstellungen, räumte Rene Hirner im Stuttgarter Katalog auf. Der sorglose Umgang mit den Originalen, die vielen experimentellen Abzüge, das Probieren mit Ausschnitten, die mangelhafte Datierung, schließlich die inzwischen 10.000 Fotos, nach Sachgebieten geordnet: Alles weist darauf hin, daß Stankowski sich nicht als Fotokünstler versteht und verstand. Fotos sind ihm Rohmaterial mit geringem Eigenwert.

1929 fängt er im Reklame-Atelier Dalang in Zürich an; 1938 gründet er in Stuttgart sein „grafisches Atelier“. Er arbeitet für IBM, SEL, NSU, später die Heizungsfirma Viessmann und die Bundesgartenschau. (Für die Olympischen Spiele in München entwickelte er maßgeblich die bekannten, angeblich weltweit verstehbaren Piktogramme mit.)

Und diese brillanten, witzig inszenierten, perfide ausgeleuchteten Fotos aus ungeahnten Perspektiven in nie beachteten Ausschnitten finden sich regelmäßig in Firmenprospekten und ganzseitigen Illustriertenanzeigen wieder. Das Baby-Nudogramm für IBM, „kippende“, mehrfachbelichtete Schornsteine zur Illustration der wirtschaftlichen Lage. „Das Paar“ von 1930 (Löffel und Gabel liegen traut im Handtuchbett) wirbt viel später für den „gastlichen Süden“.

Fotos waren nie die Endprodukte; die Formen und Strukturen, die er über die Kamera gewann, setzte Stankowski allerdings in zahllosen Fällen in der Werbegrafik um. Daß trotzdem großartige Fotokunst entstand, weil der Mann ein Auge für spannende grafische Zusammenhänge und Bildkomposition hat, zeigt nicht zuletzt eines der Ergebnisse seiner Zusammenarbeit mit NSU: Ein Rüsseltier von nicht abzuschätzender Größe steht in einer Landschaft, umwickelt mit Packpapier. Ein versandfertig verpacktes Motorrad. Burkhard Straßmann

bis zum 8. März, Öffnungszeiten Fr.-So. 13 bis 20 Uhr. Die „Lichtbild-Galerie“ liegt am Neubergedorfer Damm zwischen Grasberg und Worpswede.