: Senat soll Industriestandorte erhalten
■ DGB-Kreisvorstände Nord und Süd gewählt/ Delegierte forderten mehr Aktionen
Berlin. Erstmals seit 20 Jahren sind in Berlin am Samstag wieder Kreisvorstände des DGB gewählt worden. Die Kreisvorsitzenden Berlin-Nord und Berlin-Süd werden künftig auf kommunaler Ebene gegenüber den Bezirksämtern die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder vertreten. Damit werde es besser möglich sein, auf Fragen der Arbeit, aber auch des Verkehrs, der Schulen, Kindertagesstätten und des Wohnungsbaus Einfluß nehmen zu können, erklärte Christiane Bretz, Landesbezirksvorsitzende von Berlin-Brandenburg.
Sowohl im Gewerkschaftshaus in der Keithstraße, dem Sitz des Kreisvorstandes Süd, als auch vor den Delegierten von Berlin-Nord im Gewerkschaftshaus am Märkischen Ufer forderte die DGB-Landeschefin vor allem eine klarere Politik von Senat und Treuhand zum Erhalt von Industriestandorten. Der DGB müsse noch stärker darauf dringen, daß die Bundesregierung Mittel zur Sanierung von Betrieben zur Verfügung stellt. Auch erwarte er, daß sich die Landesregierung mehr als bisher für die Fortsetzung des Gemeinschaftswerkes Aufschwung Ost über das Jahr 1992 hinaus einsetzt. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt finde ihren Ausdruck auch in einer gleichbleibenden Sockelarbeitslosigkeit im Westteil der Stadt, wo sie trotz gestiegener Zahl von Arbeitsplätzen seit zwei Jahren bereits zwischen neun und zehn Prozent liegt. Die Zahl von 150.000 Pendlern aus Ost-Berlin und Brandenburg pro Tag belege, daß man längst von einem gemeinsamen Arbeitsmarkt Berlin- Brandenburg ausgehen müßte. Mehr Kampfaktionen als Appelle forderten Gewerkschaftsvertreter auf der Delegiertenkonferenz Nord. Angesichts der Arbeitslosenzahlen sollte der 1. Mai mehr von politischen Demonstrationen als von »Familienfesten« geprägt sein. Zur Vorsitzenden des Kreisverbandes Süd wurde die von der IG Metall nominierte Ursula Schäfer gewählt. Vorsitzende des Kreisverbandes Nord wurde Burgunde Grosse von der Gewerkschaft Leder aus Spandau.
IG-Metall-Chef Franz Steinkühler forderte die Schaffung eine Industrieholding zur Sanierung der ostdeutschen Wirtschaft. In diese Holding sollten jene 70 Prozent der 6.000 Betriebe, die die Treuhand für sanierungsfähig hält, überführt werden. Außerdem sprach er sich für die Bildung eines Treuhand-Vermögensfonds aus, der 25 Prozent an der Industrieholding besitzen solle. Zur Begründung sagte Steinkühler, daß die Treuhand in ihrer jetzigen Konstruktion die erforderliche Sanierung nicht schaffen könne, weil sie »eine Mammutbehörde mit Multi-Funktion« sei. Sie müsse von einer »Privatisierungsagentur in eine Sanierungsorganisation« umgewandelt werden. dpa
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