piwik no script img

Hillerchens Torfahrt

■ Eishockey-Aufstiegsrunde: Dynamo besiegt nach schwachem Spiel eisbockstark den SC Riessersee 6:2

Hohenschönhausen. Mehr durstige Kehlen denn je belagerten am Freitag die Bierbuden der Eissporthalle Steffenstraße. Es galt, den SC Riessersee gebührend zu begrüßen, dieses Urgebräu der Flitzerbranche. Daß sich der Verein 1912 ausgerechnet an einer Theke seiner Heimatstadt Garmisch-Partenkirchen gründete, war sicherlich keine Laune der Sportgeschichte. Saufen gehörte halt zum schnellsten Mannschaftssport der Welt, wie die Hostie zum Herrn Pfarrer. Maul auf, Kukident-Gehege hochgeklappt, 1, 2, 14 »Moaß« implantiert — wer dann noch laufen konnte, durfte spielen. Unten waren die Kufen, oben erkannte man am Helm. So bunt (=blau) betrieben es die Ahnen unserer Didi Hegen, Gerd Truntschka und Co. Felix Bavaria.

Viele Jahre schrieben die Garmisch-Partenkirchener — gemeinsam mit Bad Tölz, Füssen oder Landshut — deutsche Hockey-Historie. Die besten Puckjäger praktizierten bis in die 70er Jahre in Bayrisch- Kongo. Heute dienen die süddeutschen Provinzclubs allenfalls als Talentschuppen für die Großkopferten aus dem Preußenland. Auch der SC Riessersee '92 hat wieder einige Perlen feilzubieten, allen voran Verteidiger Sepp Lehner, der mit seinen 20 Lenzen zu den VIPs des Bundesliga- Scouts zählt. Gebrauchen könnten die Garmischer den schnöden Mammon schon, denn ihren unerfreulichen Namensappendix »i.K.« (in Konkurs) wurden sie erst nach heftigen Mühen zu Beginn dieser Saison wieder los.

Spieler des Abends war allerdings ein Berliner: Guido Hiller, der 27jährige Kunstlauf-Impresario der Dynamos. In der 58. Minute schnappte er sich hinter dem eigenen Tor die Hartgummischeibe, durchtanzte die erste bayerische Abwehrformation und ließ auch noch deren letzten Schutzwall wie leere Bierflaschen stehen. Auch wenn Hiller das Tor verfehlt hätte, wären ihm die Standing ovations der 2.800 Zuschauer sicher gewesen. So jedoch erzielte er den 6:2-Endstand zugunsten der Berliner. Ein Treffer, der für die wenig kurzweiligen Leistungen beider Teams entschädigte.

»Die Spieler haben sich nach dem schnellen 2:0-Vorsprung eine eigene Taktik ausgedacht«, hakte ein leicht angesäuerter EHC-Trainer Hartmut Nickel den »Arbeitssieg« eilig ab: »Kapitel geschlossen — Punkte eingefahren — am Sonntag geht's nach Kassel!« lautete sein Motto. Offensichtlich wollten nicht einmal die Journalisten erfahren, warum die Ostberliner nach den prächtigen Eis- Shows der letzten Wochen über weite Strecken der Freitagspartie fast wie Granulat on the rocks wirkten. Eine geschlagene Minute dauerte die Pressekonferenz.

»Die Presse hat Durscht«, analysierte Dynamo-Manager Lenz Funk, früher selbst einmal im Werdenfelser Land aktiv, die Situation der schreibenden Zunft kristallweizenklar. Fazit: Der SC Riessersee hat in Berlin — trotz der 2:6-Schlappe — einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Jürgen Schulz

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen