Otto Sander und der Marlboro-Mann

■ Abgefahren: „Struppi und Wolf“ sind heute im ZDF, 19.20 Uhr

Wenn der sogenannte „Ossi“ zum 100sten Mal mit „Marlboro“ veräppelt wird, so ist dies gewiß nicht mehr komisch. Wenn aber Otto Sander, der in Andy Bauschs schriller Ost-West-Komödie einen Absteigen-Conferencier spielt, der mangels konkreter Beschäftigung mit dem Cowboy-Hut vor einem Marlboro-Plakat posiert, den Hut millimetergenau so zurecht zieht, wie der darauf abgebildete Mann mit der Lederhaut, um gekonnt eine Zigarette zu entflammen, dann ist das einfach abgefahren. Wie übrigens der ganze Film des 30jährigen Luxemburgers, der zu den wenigen Talenten im Fernsehfilmbereich zählt.

Die Geschichte beginnt am 9. November 1989. Während in einem ehemaligen ostdeutschen Streichmittel-Werk die Lichter ausgehen, bringt die alte Stasi-Seilschaft verräterische Akten auf die Seite. Bis die neuen Eigentumsverhältnisse geklärt sind, führt der dynamisch-optimistische Treuhand-Manager Wolf (Michael Degen) die Fabrik. Die Erbin und neue Besitzerin Struppi (Lena Stolze), angepunkte Trainerin einer Oldie-Rock-and-Roll-Tanzgruppe, hat offensichtlich mehr Spaß daran, alle Büros rot zu streichen, als von Wolf in die Geheimnisse des West-Managements eingeweiht zu werden. Es kommt zu Spannungen und Intrigen.

Am Ende sieht Struppi aber ein, daß ihre Zukunft nicht in der Produktion von Wandfarben liegt. Aschenbrödel will nicht für die große Asche brödeln.

Die Stärke von Andy Bauschs quirligem TV-Spiel liegt nicht gerade im bierernsten Versuch einer Ost-West-Bewältigung. Wo andere Regisseure nach hölzern knarrende Metaphern für die „Mauer im Kopf“ suchen, setzt Bausch auf derben Witz. Dreht man im Ex-Stasi-Hotel am Programmwahlschalter, so kann es schon Mal pasieren, daß man statt Gottschalk das Nebenzimmer sieht. Das beschränkte Budget des TV- Spiels ist für Bausch kein Hindernis, sondern Quelle der Inspiration. Wo im James-Dean-Film Denn sie wissen nicht, was sie tun im halsbrecherischen Duell zwei teure amerikanische Autos auf die Klippe zurasen, tun es bei Bausch auch zwei Trabbis. Richy Müller als gelinkter Chemiker sächselt, daß man sich die Ohren zuhalten möchte, und Elisabeth Volkmann als sexbesessene Stasi-Braut gibt sich den Kick durch einen Snief aus der „Streimi“-Flasche (Terpentin).

Wie in seinen letzten drei Filmen A wopbopaloobop Alopbamboom, Ex und Hopp und Mit tödlicher Sicherheit verblüfft Andy Bausch wieder durch für TV-Spiele unüblich phantasievolle szenische Erfindungen. Bei einer schwungvollen Rock- and-Roll-Tanzeinlage segelt der Stöckel genauso durch die Luft wie bei „Belmondo-Schuhe“. Und wenn der entlassene Richy Müller dem Westboß Wolf die Luft aus dem Reifen läßt, sehen wir zunächst nur einen rätselhaften, Suppenteller-großen Kreis, umgeben von Schwärze. Rückwärts fährt die Kamera aus einem bedrohlichen Tunnel. Erst aus einigem Abstand, wenn die Maserung des Reifenprofils erkennbar wird und der Kreis auf Fingernagelgröße geschrumpft ist, wissen wir, daß das Ganze ein Autoventil ist, in das Richy Müller mit diebischer Freude einen Nagel steckt. Bis auf die Besetzung wurde der Film gänzlich mit Defa-Personal realisiert, das im Abspann leider vergessen wurde. Manfred Riepe