: Hoffnung auf ein »Mosse-Haus«?
■ Der Enkel des legendären Zeitungsgründers erhebt Restitutionsansprüche auf den Gebäudetorso in der Jerusalemer Straße, wo seit 1872 die erste liberale Berliner Tageszeitung produziert wurde
Mitte. Den Namen »Mosse« kannte früher in Berlin jedes Kind, heute gehört er nur noch zur Allgemeinbildung von Journalisten und Historikern. Rudolf Mosse gründete 1872 das 'Berliner Tageblatt‘, eine liberale Metropolenzeitung, in der sich die republikanisch gesinnten Politiker, berühmte Kommentatoren und Schriftsteller die Feder in die Hand gaben. Chefredakteur war lange Zeit Theodor Wolff.
Finanziert wurde diese Zeitung durch eine international florierende Annoncenspedition, dem Druck von Telefon- und Adreßbüchern und durch Massenblätter, wie die 'Volkszeitung‘ und die '8-Uhr Nachrichten‘. Übriggeblieben von diesem Kapitel Zeitungsgeschichte in Berlin ist ein Gebäudetorso in der Jerusalemer Straße, der heute noch eine Druckerei beherbergt.
Entscheidung liegt bei der Treuhand
Über die Zukunft dieses Hauses wird demnächst die Treuhand entscheiden, und wie so oft wird sie dabei die ungeklärten Eigentumsansprüche berücksichtigen müssen. Denn auf dieses Gebäude sowie auf den Familienbesitz Mosse, das Gut Schenkendorf bei Königs Wusterhausen, haben die Erben Restitutionsansprüche erhoben.
Einer dieser Erben ist George L. Mosse, Enkel des Medienzars und Sohn des Bonvivants Lachmann- Mosse, unter dessen Regie der Konzern durch nie ganz geklärte Umstände 1932 Bankrott machte und ein Jahr später unter ebenfalls merkwürdigen Umständen in die Hände des NSDAP-Treuhänders Max Winklers fiel. Damals war der Name Mosse nur noch ein antijüdisches Schimpfwort, die Familie konnte sich durch Emigration nach Paris, später London, zuletzt Amerika retten.
Vergangene Woche weilte Georg L. Mosse in Berlin. Er hat hier mit der Treuhand geredet, war aber gegenüber der taz nicht bereit, auch nur einen Mucks dazu zu sagen. Immerhin nutzte er seinen Besuch, um in der Prinz Eisenherz Buchhandlung über seine historischen Forschungen zur Männerkultur im Nationalsozialismus zu berichten und über seine Erinnerungen an das jüdische Großbürger- und Mäzenatentum in Berlin zu plaudern.
Wer den Abend versäumt hat, dem ist das Buch zu empfehlen Ich bleibe Emigrant. Ein Gepräch mit Irene Runge und Uwe Stelbrink, Dietz Verlag 1991. aku
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