: Kripo durchsucht PDS-Zentralen
■ Unabhängige Parteikommission und Polizei durchsuchen PDS-Büros von Berlin bis Erfurt/ Partei soll ihre Vermögensverhältnisse verschleiert haben
Berlin. Die Fotografen stoßen einander hektisch beiseite, als uniformierte Polizisten eine von gut dreißig Kisten aus dem Aufzug schleppen. »Wo ist denn nun der Tresor mit den vielen Millionen?« fragt eine Genossin mit gespielter Naivität. Die PDS- Zentrale in der Kleinen Alexanderstraße in Berlin wurde gestern von einen hundertköpfigen Polizeiaufgebot unter Leitung des für Vereinigungskriminalität zuständigen Betrugsdezernats durchsucht. Auch die PDS-Zentralen in Dresden, Halle, Erfurt, Potsdam, Rostock und Schwerin wurden durchsucht. Diese bisher größte Aktion bei der SED- Nachfolgepartei wurde von der Unabhängigen Parteikommission veranlaßt, die für den Bundestag den Überblick über das Vermögen der Parteien der ehemaligen DDR gewinnen soll.
Nachdem die PDS ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht mehr vollständig nachgekommen sei, ihre Vermögensverhältnisse seit dem 7. Oktober 1989 offenzulegen, sei dies notwendig gewesen, so der Sprecher der Kommission, Klaus-Dieter Bennewitz. Zudem habe die PDS die Wirtschaftsprüfer der Kommission seit Ende vergangenen Jahres nicht mehr an die Akten gelassen. Möglicherweise habe die PDS über ihr Vermögen bewußt unvollständig berichtet. Nach dem Einigungsvertrag sei die Kommission zu einer derartigen Durchsuchung berechtigt, für die man einen Beschluß des Amtsgerichts Tiergarten habe, sagte Bennewitz.
Auf den Fluren der PDS- Zentrale, wo Journalisten, Polizisten und Genossen wie aufgescheuchte Hühner durcheinanderlaufen, sieht man das anders. »Das ist schon die vierte Durchsuchung, und es werden immer dieselben Akten mitgenommen und fotokopiert«, sagt der von Kameras umringte PDS-Schatzmeister Dietmar Bartsch mit demonstrativer Gelassenheit. Man wisse gar nicht, was die Kommission überhaupt noch finden wolle. Nach Ansicht Bartschs — die von seinen umstehenden Parteigenossen geteilt wird — handelt es sich um eine Aktion, die die PDS kriminalisieren soll. Seit dem versuchten Transfer von 107 Millionen Mark ins Ausland, der anderthalb Jahre her sei, habe es keine Unregelmäßigkeit gegeben, so Bartsch.
Zudem seien, so PDS-Sprecher Hanno Hanisch, Besucher von der Polizei belästigt worden. Die PDS werde sich an internationale Menschenrechtsorganisationen wenden und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Polizeieinsatz einreichen. Parteichef Gysi befindet sich derzeit in Nicaragua bei Daniel Ortega.
Bei der Durchsuchung der PDS- Geschäftsstelle in Dresden seien dem Landesvorstand, so eine PDS-Sprecherin, Leibesvisitationen angedroht worden. In Erfurt und Potsdam hat der Bundesgrenzschutz die Polizei bei den Durchsuchungen unterstützt. esch
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