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Wer hat die schönste Gebärmutter?

■ Die Sonderbären der taz-Kritik. Der Rechtsweg ausgeschlossen.

Alljährlich das große Stöhnen in der Redaktion: „Was? Die bekommen den Bären? Für den Film?“ Wir wissen es vorher und stellen uns beizeiten darauf ein, daß diese Jury, wie fast jede Jury, gerecht nicht ist und ohne Skrupel. Und verleihen unsere Bären also selbst, wirkungslos und schön wie der alternative Nobelpreis. Kurz und brutal machte es Ulf Erdmann Ziegler:

Der Goldene Bär geht für ihn an David Cronenberg für „Naked Lunch“: „Da wird dieselbe Person zweimal erschossen, eine Innovation, soweit ich weiß.“ Der Silberne Bär „an Woody Allen und Martin Scorsese. Sie haben den Draht-Würger für das Kino wiederentdeckt. Eine Methode fast außer Konkurrenz.“ Die Bronzene Tatze verleiht er „dem fernöstlichen Kino á la Atsuchi Kimura („Aitsu — Warten auf die Flut“) oder Edward Yang („A Brighter Summer Day“). Die machen's noch mit der Hand. Ein Schlag in's Gesicht, und die Jungs liegen mindestens im Krankenhaus.“

Thierry Chervel verleiht nur einen Goldenen Bären, und zwar für „Les amants du Pont-Neuf“; ein wenig großzügiger verfährt Michaela Lechner:

Bärenfelle für alle nackten Frauen in „Dear Emma, sweet Böbe“, einen Porzellanbären für „einen blauen Augen-Blick“ an Armin Mueller- Stahl, und für Dennis O'Rourke „einen aufblasbaren Bären, damit er nicht nochmal nach Bangkok fliegen muß“.

Christoph Boy vergibt einen Goldenen Bären an den abwesenden, aber über uns schwebenden Martin Scorsese und einen silbernen an Kaurismäkis „La Vie de Bohème“; Christiane Peitz widmet Gold den „beiden besten Filmen über Täter“, nämlich Scorseses „Cape Fear“ und dem „Schwarzen Kasten“ von Tamara Trampe, und Silber „den schönsten Schwarz-weiß-Filmen seit Erfindung des Farbfilms“, nämlich „Shadows und Fog“ von Woody Allen wie dem genannten Bohème-Film von Aki Kaurismäki.

Am großzügigsten war unsere Kolummnistin Marcia Pally, die als beste Filme „Cape Fear“, „Naked Lunch“ und „Les Amants du Pont- Neuf“ („jedenfalls die ersten zwei Drittel“) pries.

Der beste Schauspieler nach dem Drehbuch ist für sie Robert de Niro („Cape Fear“), der beste Schauspieler gegen das Drehbuch Armin Mueller-Stahl (in „Utz“), die beste Schauspielerin Judy Davis („Naked Lunch“).

Die besten Drehbücher schrieben ihrer Ansicht nach Wesley Strick („Cape Fear“), David Cronenberg und Tom Kalin („Swoon“), die beste weibliche Nebenrolle hatte für sie Juliette Lewis in „Cape Fear“ inne, die beste Kamera wurde in diesem Film und in „Swoon“ geführt.

Die beste Ausstattung schmückte „Naked Lunch“, „Swoon“, „Rien que des Mensonges“ und „Edward II“, die beste Musik hörte sie in „La Vie de Bohème“, und zwar in Form der Arie für Piano und Megaphon.

Die beste Verhunzung der französischen Sprache („die sie auch wirklich verdient hat, nach all den hochgestochenen Tiraden, die wir über uns ergehen lassen mußten“) fand ihr feines Ohr ebenfalls in Akis Film, den besten Oldie sah sie in im neuen „Star Trek“.

Das schönste Kleid trug Fanny Ardant in „Rien que des Mensonges“ (das kleine rückenfreie Schwarze, welches schon in ihrer täglichen Kolummne neidvolle Erwähnung fand), die beste Frisur schmückte einen Kopf in „Dead Again“.

Das schönste Haus steht in „Sacred Sex“: „das Haus, für das sich das Paar mit dem tantrischen Orgasmus jeden Stein von irgendeinem heiligen Ort in Asien besorgte — genaugenommen meine ich aber alle Häuser in diesem Film außer dem von Annie Sprinkle, der erstaunlichen und unschlagbaren Ex-Porno-Modernistin, zugleich Gewinnerin des Preises (und einzige Kandidatin) für die schönste Gebärmutter“. Auf die beste Sexszene hin befragt, gab Marcia Pally uns bekannt: „Die in „Sacred Sex“ halte ich alle für gefälscht — lieber ist mir die in Woody Allens „Shadows and Fog“: sie findet volständig hinter der Kamera statt, aber wenn John Cusak dafür 700 Dollar ausgab (mit der Kaufkraft der zwanziger Jahre), dann soll mir das reichen.“

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