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Kroaten unzufrieden mit UNO-Plan

Auf dem Kongreß der kroatischen Regierungspartei HDZ forderten viele Redner, keinerlei Konzessionen in bezug auf Gebietsabtretungen zu machen / Tudjman will Bosnien nicht anerkennen  ■ Aus Budapest Roland Hofwiler „Ich bin, will und m u ß der Präsident aller Kroaten sein.“ Mit diesen Worten trat am Sonntag der kroatische Staatschef Franjo Tudjman vor über eintausend Delegierte seiner Partei. Tudjman benutzte den zweiten Jahrestag des Gründungsparteitages seiner „Kroatischen Demokratischen Union“ zum Eigenlob. Das Eintreffen der UNO-Truppen erwähnte er mit keinem Wort. Seine Partei habe einen Erfolg errungen, „den keine andere demokratische Partei in den Ländern zwischen dem Baltikum, der Adria und dem Schwarzen Meer erreichen konnte“. Die Unabhängigkeit Kroatiens wäre, das können wir mit vollem Recht sagen, „ohne das Parteiprogramm der Kroatischen Demokratischen Union nicht möglich gewesen“.

Doch Tudjman war in den letzten Wochen bei seinen Freunden nicht mehr unumstritten, weil er den UNO-Plan — zumindest nach außen hin — unterstützen mußte. Andere Redner aus der Partei wollten davon nichts wissen: die „okkupierten Gebiete“, sprich Serbenenklaven, in die die UNO-Blauhelme entsandt werden sollen, seien Teil Kroatiens, und man werde sie auch bei einem Friedensvertrag mit Serbien nicht abtreten. Alle politischen Optionen sollen offen sein. Selbst militärische Schläge, sollte es zu keiner friedlichen Einigung mit Serbien kommen, schließen einzelne Politiker nicht aus. Nicht nur Rechtsaußen wie Dobroslav Paraga, Vorsitzender der „Partei des Rechts“, und der ehemals populäre Oberbefehlshaber von Vukovar, „Falke“ Dedaković, äußern sich in diese Richtung, auch auf dem Parteitag der Regierungspartei konnte man solche Töne vernehmen. Unter anderem auch vom Vizepräsidenten Vladimir Seks. Und selbst Tudjman prahlte: Man habe endlich eine richtige Armee, Panzer, Flugzeuge, eigene Waffenproduktionsstätten und über 150.000 Mann unter Waffen. Stipe Mesić, letzter jugoslawischer Staatspräsident und heute rechte Hand Tudjmans: „Die kroatische Armee ist jetzt schon in der Lage, das Problem in den okkupierten Gebieten mit Gewalt zu lösen, wenn die UN-Mission nicht gelingt.“

Wie populär solche Töne heute in Kroatien sind, zeigt sich auch in den Reaktionen der linksgerichteten kroatischen Opposition auf den Beschluß des UN-Sicherheitsrates zur Entsendung der Blauhelme. Die Führerin der Oppositionsfraktion im kroatischen Parlament, die ehemalige Reformkommunistin Savka Dapcević-Kucar: „Kroatien ist ein demokratischer Staat, international anerkannt, und hat daher allein das Recht, auf seinem Territorium seine eigenen demokratischen Gesetze durchzusetzen, mit allen Mitteln, die einem Staat zustehen.“

Ein wirklich neues Element auf dem Parteitag war Tudjmans Bekenntnis, er trete für die Aufteilung der Nachbarrepublik Bosnien nach Schweizer Vorbild in Kantone ein. Dabei stellte er für alle Kroaten Bosniens eine doppelte Staatsbürgerschaft in Aussicht. Eine doppelte Staatsbürgerschaft, die Tudjman aber der serbischen Minderheit seines Landes nicht einräumen will.

In den regierungstreuen Zeitungen wurde sogar der derzeitige Grenzverlauf mit Bosnien in Frage gestellt. „Korrekturen“ seien möglich, „wenn dies die betroffene Bevölkerung in Bosnien“ wünsche. Da all diese Fragen in der Schwebe lägen und man aufgrund des Blauhelm- Einsatzes der UNO erst einmal Zeit für politische Verhandlungen gewinne, so das Massenblatt 'Vecernji list‘, stehe eine völkerrechtliche Anerkennung Bosniens durch Kroatien vorerst auch nicht zur Debatte.

Zum ersten Mal stellte eine Zeitung auch die Frage nach den Kosten für die Entsendung der Blauhelme. Zagreb verfüge anders als Belgrad nicht über eine Notenpresse und könne nicht für die Unterkunft und den Unterhalt der UN-Soldaten aufkommen, wo es doch selbst bei den Vereinten Nationen um Unterstützung für seine eigenen Flüchtlinge nachsuchen müsse, schreibt 'Danas‘. Der UN-Plan sei ohne Berücksichtigung der „kroatischen Realität“ erstellt worden. Zagreb soll nach der Resolution 727 des UN-Sicherheitsrates für Unterkunft, Verpflegung und Brennstoff der UNO-Truppen aufkommen.

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