: Angst vor Michelangelo
Hamburg (dpa) — Experten für Computer-Viren haben in diesen Tagen Hochkonjunktur. Meldungen über das gefährliche Sabotage- Programm „Michelangelo“ haben die Computer-Anwender in aller Welt alarmiert.
Bei den „Viren Test Centren“ der Universitäten in Hamburg und Karlsruhe klingeln seit Anfang Februar die Telefone pausenlos, über hundert Fälle von schwerwiegenden „Michelangelo“-Infektionen wurden bekannt. In einer Hamburger Großbank waren sämtliche PCs virenverseucht, bei einem Berliner Informatik-Unternehmen wurde „Michelangelo“ bei der Demonstration eines Finanzprogramms eingeschleppt. Bei rund zehn Prozent der verseuchten Computer tauchten andere Viren („Joshi“, „Form“ und „Herbstlaub“) auf.
Weltweit sind rund 60 Millionen IBM-kompatible Personal Computer (PC) gefährdet, in Deutschland arbeiten rund fünf Millionen Anwender mit solchen MS-DOS-kompatiblen Rechnern. „Michelangelo“ aktiviert sich selbst am 6. März, dem Geburtstag des 1475 geborenen italienischen Renaissance-Künstlers Michelangelo Buonarroti. „Wenn ,Michelangelo‘ zuschlägt, ist das dramatisch“, sagt der Informatiker Prof. Lance Hoffman von der amerikanischen George-Washington-Universität. Der Virus löscht die Daten und überschreibt Festplatte oder Diskette mit sinnlosen Zeichen.
Computer-Viren werden häufig durch Raubkopien auf Disketten von Rechner zu Rechner weitergegeben. Anders im Fall „Michelangelo“: Hier haben eine Reihe von Computer- und Software-Herstellern, vor allem in Asien und den USA, zur Verbreitung der Seuche beigetragen. „Im gesamten Bundesgebiet wurden zahlreiche Computer-Mäuse (Eingabeinstrument) der taiwanesischen Firma ARTEC verkauft. Die Diskette mit dem Maus-Treiberprogramm war mit dem ,Michelangelo‘ verseucht“, weiß Frank W. Felzmann vom neugeschaffenen Bonner Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Rund 6.000 infizierte Disketten sollen im Umlauf sein.
In den USA sorgte vor allem der Computer-Hersteller Leading Edge Products dafür, daß „Michelangelo“ sich so stark ausbreiten konnte. Rund 6.000 PCs gingen über den Ladentisch, bevor entdeckt wurde, daß alle Festplatten infiziert waren. Manche Viren machen sich durch eine Nachricht auf dem Bildschirm bemerkbar (zum Beispiel übersetzt: „Ihr PC ist high. Legalisiert Marihuana“). Im Gegensatz dazu verhält sich „Michelangelo“ aber still, wodurch er oft lange Zeit unentdeckt bleibt.
Viele Computer-Viren-Experten bemängeln, daß auch namhafte Hersteller wie Microsoft oder Novell ihre Disketten nicht permanent schreibgeschützt ausliefern. Durch einen dauerhaften Schreibschutz könnte eine Verbreitung der Viren erschwert werden. „Hoffentlich lernen die Hersteller aus den Zwischenfällen und verbessern ihre Qualitätssicherung, so daß derartige Pannen künftig vermieden werden können“, schreibt Günter Mußtopf, der Mitherausgeber des Fachdienstes „Virus Telex“.
Da der Virus beim Start des Computers von einer infizierten Diskette in den Rechner und damit auf die Festplatte gelangt, fordern viele Experten, daß die PCs ab Werk so eingestellt werden, daß sie beim Start ihre Systeminformationen von der Festplatte holen, und nicht vom Diskettenlaufwerk. Damit könnten kaum noch Viren über verseuchte Disketten eingeschleust werden.
Und noch eine Warnung haben die Experten parat: Sollte der 6. März ohne Viren-Attacke überstanden sein, können die Anwender leider nicht aufatmen. Schon ambitionierte Laien könnten das Datum der Zerstörung manipulieren. Hinzu kommt, daß bereits eine Woche nach Michelangelos Geburtstag der „Freitag- der-13.-Virus“ aktiv wird.
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