: Wahlfieber in Thailand — wer bietet am höchsten?
Korruption hin oder her — ein Jahr nach dem Putsch haben sich führende Politiker der Ex-Regierung mit der neuen Militärführung arrangiert ■ Aus Bangkok Paul Simon
In Thailand laufen die Vorbereitungen zur Wahl der Nationalversammlung im März auf vollen Touren. Während die Mehrheit der Bevölkerung eher gleichgültig das Treiben der Politiker beobachtet, hat in Parteikreisen das große Feilschen begonnen. Frühere Parlamentsmitglieder haben aufgrund ihrer Erfahrung und dem Netz ihrer Beziehungen den größten Marktwert. Parteienwechsel — diktiert durch Angebot und Nachfrage in Sachen Geld und parteiinterner Machtposition — gehören zum Alltag thailändischer Politiker. Einige verlangten jüngst für ihren Übertritt zur militärhörigen Samakki Tham Party pro Kopf rund zwei Millionen Mark und eine Position in der Parteileitung, nachdem ihnen eine andere Partei bereits ein paar hunderttausend weniger geboten hatte.
Doch nicht nur um Personen wird gefeilscht. Die Parteien kungeln untereinander bereits die künftige Regierungsmannschaft aus. Die Chart Thai, Samakki Tham und Social Action Party haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen und die Möglichkeit angedeutet, daß entgegen jeglicher demokratischer Spielregeln auch eine parteiunabhängige Person die neue Regierung führen könnte, die sich den Wahlen gar nicht erst gestellt hat. Eine unverhohlene Einladung an den amtierenden Armeechef General Suchinda. Pikanterweise waren just zwei dieser Parteien von eben diesem General vor einem Jahr aus der Regierung weggeputscht worden.
Resignativ und larmoyant wirken da oft die Stellungnahmen kritischer Akademiker wie Professor Likhit Dhiravegin von der Thammasat Universität, der das Treiben thailändischer Politiker mit dem Fehlen jeglicher politischer Prinzipien, moralischer oder ethischer Grundsätze, Würde und Selbstachtung kommentiert. Schließlich hatte das Militär seinen Putsch vor allem mit der Korruptheit der Regierung von Expremier Chatichai gerechtfertigt.
Ein eigens eingesetzter Untersuchungsausschuß hatte dann herausgefunden, daß einige Kabinettsmitglieder, Premier Chatichai eingeschlossen, während ihrer Amtszeit Geldgeschenke in Höhe von mehreren hundert Millionen Baht (15 Baht = 1 DM) ganz offensichtlich gegen die Vergabe von Geschäftsprivilegien erhalten hatte. Doch mit Ausnahme Chatichais selbst sind die meisten der erwiesenermaßen korrupten ehemaligen Regierungsmitglieder in die politische Arena zurückgekehrt. Einige unter ihnen suchten der drohenden Konfiszierung ihres illegal erworbenen Vermögens zu entgehen, indem sie sich einer der dem Militär nahestehenden Parteien anschlossen. So spielt General Arthit Kamlang-ek, unter der Regierung Chatichais einer der Hauptkontrahenten der gegenwärtigen Militärführung und ehemaliger Vizepremier und Vizeverteidiungsminister, heute eine führende Rolle in der vom Militär kontrollierten Samakki Tham Party.
Wenig Illusionen hinsichtlich Korruption und Stimmenkauf hegt auch Dr. Gothom Arya, ein führender Menschenrechtler Thailands. Er wurde vom gegenwärtigen Premier Anand beauftragt, eine neutrale „watchdog“-Kommission zu bilden. Diese Kommission, die aus 32 bekannten Universitätsdozenten und Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen besteht und von rund 10.000 Helfern unterstützt wird, soll für einen fairen Verlauf der Wahlen sorgen. „Die Strukturen der Korruption“, sagt Gothom, durchlaufen das politische System „von seiner Spitze bis zur Basis“. Das heißt: Mächtige Gruppen im Lande kaufen und manipulieren ganze Parteien, die ihrerseits kaufen Abgeordnete, diese wiederum bezahlen sogenannte Stimmenwerber, die mit viel Geld in der Tasche durch Städte und Dörfer ziehen, Dorfchefs und lokale Führer auf ihre Seite ziehen. Und die organisieren den Stimmenkauf unter den Wählern. Ganz unten an der Basis, bei den Landbewohnern, kommt ihnen dann das traditionelle Muster der Autoritätshörigkeit und moralischen Verpflichtung entgegen, die die Bauern so handeln lassen, wie ihnen befohlen wird. Und dieser Prozeß, so Gothom, kann nur langfristig, durch breite gesellschaftliche Partizipation und durch den Aufbau von horizontalen Institutionen und Organisationen unter der lokalen Bevölkerung durchbrochen werden.
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