: Demonstranten besetzten Rathaus
■ Protest gegen ABM-Kürzungen / Ampel-Vertreter versprachen nichts
Während gestern morgen vor der Bürgerschaft die Demonstration gegen die ABM-Kürzungen schon in vollem Gange war, schlichen sie wie die Geier um das Rathaus: Die Besetzung der heiligen Hallen war heimliches Ziel von etwa vierzig MitarbeiterInnen selbstorganisierter Projekte, die nach den ABM-Kürzungen ums Überleben kämpfen. „Wir werden so lange bleiben, bis sich Wedemeider, Jäger und Fücks zu einem Gespräch mit uns bereit erklären und die Absicherung der ABM-Projekte zusagen“, erklärt Niko Diemer vom Netzwerk.
Um 10.15 Uhr steht die Rathauspforte nach einem Trick offen: Vierzig Leute stürmen in den zweiten Stock hinauf, sperren die Treppe mit einer Fahradkette ab. Aus dem finanziellen Drahtseilakt wird ein waghalsiger Balanceakt in zehn Metern Höhe: In schönster Bergsteigermanier seilt sich Claudius Joecke vom Kulturladen Huchting aus einem Fenster an der Rathaus-Seitenwand ab und baumelt mit dem Transparent „Wedemeier, sichere die ABM- Projekte ab“ an der Fassade. „Dafür habe ich gestern extra eine halbe Stunde auf dem Dachboden geübt“, verrät er hinterher.
Zu derselben Zeit in der Bürgerschaft: Mitten in der DVU- Debatte haben sich zwanzig DemonstrantInnen auf die Ränge gemogelt, entrollen zwei Transparente. Die grüne Bürgerschafts- Vizepräsidentin Christine Bernbacher unterbricht die Sitzung, nach kurzer Zeit finden sich die DemonstrantInnen auf dem Marktplatz wieder: „Ausgerechnet die Grünen haben uns rausgeschmissen!“
Die etwa 500 DemonstrantInnen sind inzwischen mit lautstarkem Samba-Getrommel vor das Rathaus gezogen; nach wenigen Minuten ist die Polizei da und sperrt den Eingang ab. „Wir suchen erstmal Ansprechpartner“, erklärt Senatssprecher Klaus Sondergeld, der zum Lage peilen vor die Tür gekommen ist. „Klaus, komm raus! „
Sabine Uhl, die sich vorher sichtlich entgeistert durch die Demo gewühlt hatte, unterhält derweil die BesetzerInnen auf der Rathaustreppe. Vor dem Eingang verhandeln Sondergeld und der Grüne Martin Thomas. Die Bedingungen für ein Gespräch: Mann von der Fassade wegholen, Rathaus räumen, Delegation zusammenstellen. „Wenn's friedlich ohne Polizei geht, ist das okay“, gibt Thomas grünes Licht.
Um 11.10 Uhr seilt sich der Fassadenhangler unter lautstarkem Beifall ab, die BesetzerInnen räumen das Rathaus. Um 11.30 Uhr erscheinen die Verhandler: Wedemeier mit Fücks, Jäger kommt wenige Minuten später hinterdrein. Und dann heißt es warten: Eine Stunde Zeit soll die Verhandlungsdelegation bekommen, und die Polizei zieht wieder ab: „Das dauert uns zu lange.“
„Na, wo ist der Scheck?!“ schallt es den Verhandlern der Projekte von entgegen, als sie nach eineinhalb Stunden Gespräch wieder draußen erscheinen. Eine Verdopplung des Stammkräfteprogramms auf sechs Millionen Mark zur kurzfristigen Absicherung wollten sie zugesagt bekommen und eine Rücknahme der Kürzungen im Haushalt der Senatorin für Arbeit. Erste Reaktion: „Es ist sehr wenig bei dem Gespräch herausgekommen.“ Am 24. März dürfen die Demonstranten vor der Bürgerschaft zuhören, wie der Senat seine Antwort auf eine „Große Anfrage“ zu geben beliebt. Susanne Kaiser
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen