: Klempner-Blues
■ Chris Whitley kommt ins Loft
Auf kaum einem Bild sieht man Chris Whitley ohne seine verschrammte National-Resonatorgitarre. Doch im Gegensatz zu Kollegen wie Mark Knopfler, verkommt bei ihm das Metallinstrument mit dem charakteristisch-trockenen Klang nie zum stilisierten Wahrzeichen, bleibt immer schlicht und einfach Handwerkszeug wie die Rohrzange in der Hand des Klempners. Mit respektloser Selbstverständlichkeit hat der 31jährige Texaner die Licks von Robert Johnson und Bukka White in sich aufgesogen, sie im Staub einsamer Highways und in der Luft unzähliger verräucherter Clubs gewendet, um sie nun in der Form eines zeitgemäßen Blues rauh und dreckig wieder aus den Saiten zu zerren. »Klischees!« mag da jemand rufen und hätte sicherlich recht damit: Die Bottleneck-Röhre steckt natürlich ständig am kleinen Finger und unterstützt mit unaufdringlichem Slidespiel die Stimme, die im Falsett wiederholt Assoziationen an die Field Hollers längst vergangener Bluesrevolutionäre wachruft. So schlicht und grundehrlich also kämpft sich Whitley, nachdem er sich jahrelang in der Weltgeschichte und in den verschiedensten Musikstilen rumgetrieben hat, gleichzeitig muskulös und tief emotional durch seine Songs voll einsamer Motelnächte und Straßen-Fernweh hindurch und scheint hier zumindest seine musikalische Heimat gefunden zu haben. Trotz des Outfits, das er direkt aus der Jeans-Werbung geklaut haben könnte, vermeidet er es aber gottlob, das anachronistische Mississippi-Delta-Gejammer im zwölftaktigen Gewand wiederzukäuen. Statt dessen hat er auf seinem Debütalbum Living With The Law tatsächlich eine individuelle Spielart des »weißen Blues« gefunden — ohne das Vermächtnis seiner schwarzen Kollegen leichenfleddernd zu räubern. Und das ist allerhand.
Dummerweise fiel er damit zwar in eine Zeit des soundsovielten Blues-Revivals, doch vielleicht mag dies die eigenständige Kraft seiner Geschichten zwischen staubigem Folk-Blues und stampfenden Saloon-Rock um so deutlicher hervorkehren und die Musikchronisten zwingen, die Schublade mit der Aufschrift »Blues« um eine gutes Stück zu vergrößern. Diese erste Veröffentlichung Whitleys im letzten Jahr reichte immerhin aus, um das Indianer-Halbblut aus den Clubs herauszuhieven und in das Vorprogramm von Tom Petty und Bob Dylan zu katapultieren.
»Sehr suspekt!« mag wieder jemand einwenden, und wieder hätte er recht. Denn dort verpufften seine intimen Blues-Balladen zwangsläufig in den weitläufigen Arenen, so daß der texanische Aufsteiger und seine dreiköpfige Band mit der Loft-Bühne wohl einen tragfähigen Kompromiß gefunden haben. Peter Bickel
Am 27.2., um 20.30 Uhr im Loft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen