piwik no script img

Carrington will in Bosnien vermitteln

■ Vor der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit wurde der Serbenführer Karadzic ausgeschaltet

Belgrad (dpa/afp/taz) — In der seit Monaten vom Bürgerkrieg bedrohten jugoslawischen Republik Bosnien-Herzegowina steht an diesem Wochenende eine wichtige Entscheidung bevor. Die muslimische Mehrheit und die kroatische Minderheit wollen an diesem Termin ihre Landsleute über die Unabhängigkeit Bosniens abstimmen lassen. Die serbische Minderheit will dagegen ihre eigene Republik ausrufen, die mit der „Mutterrepublik“ Serbien zu einem neuen Jugoslawien zusammengeschlossen werden soll. Allerdings erklärte der bosnische Serbenführer Karadzic diese Woche nach seiner Rückkehr von Verhandlungen in Lissabon, daß Bosnien erhalten bleiben könnte. Er machte dies jedoch vom Verbleib der Republik in einem verkleinerten Jugoslawien abhängig. Doch bei anderen serbischen Führern stieß dieser unter EG-Vermittlung am letzten Wochenende in Lissabon verabredete Kompromiß auf Ablehnung. Deshalb wird der EG-Abgesandte Lord Peter Carrington heute noch einmal einen Versuch machen, durch Gespräche in Sarajevo die Zerstörung und Teilung Bosniens zu verhindern.

Das Grundproblem besteht darin, daß wegen der vermischten Siedlungsgebiete der Völker keine größeren Regionen mit klaren nationalen Mehrheiten zu schaffen sind. So leben in der „Serbischen Autonomen Region bosnische Krajina“ rund 1,5 Millionen Menschen. Die Serben haben in diesem noch vergleichsweise national kompakten Gebiet mit 650.000 Menschen nur eine relative Mehrheit. Die Muslime bringen es auf 500.000, die Kroaten auf 160.000 Personen. Experten haben errechnet, daß rund zwei Millionen Menschen umgesiedelt werden müßten, wollte man nur halbwegs national homogene Regionen schaffen.

In Brüssel wird eine neue Jugoslawienkonferenz in der Woche vom 9.März auf der Ebene der Präsidenten der früheren jugoslawischen Teilrepubliken abgehalten. Slowenien fordert bereits seit Wochen, daß über die Verteilung der Schulden und Auslandsguthaben verhandelt werden soll.

Die serbische Minderheit in der von Jugoslawien abgefallenen Republik Kroatien hat am Mittwoch in dem Dorf Borovo Selo nahe der ostkroatischen Stadt Vukovar eine Parlamentssitzung begonnen, bei der die drei „Autonomen Gebiete“ zusammengeschlossen werden sollen. Geplant ist die Wahl eines gemeinsamen Präsidenten und einer gemeinsamen Regierung. Einer der Hauptgründe der Vereinigung ist die Ausschaltung des „Präsidenten“ der „Serbischen Republik Krajina“ in Kroatien, Milan Babic.

Babic und das hinter ihm stehende Krajina-Parlament hatten am Vortag die Vereinigungssitzung in Borovo Selo als verfassungswidrig bezeichnet. Das Krajina-Parlament hatte am 7. und 8. März eine Volksbefragung aller Serben in Kroatien über den UNO-Plan ausgeschrieben und Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen angesetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen