: Einwanderungsgesetz verfassungswidrig
Frankreichs Verfassungsgericht erhebt Einspruch gegen Entwurf des Innenministers ■ Aus Paris Bettina Kaps
Eine Ohrfeige für den französischen Innenminister: Das Verfassungsgericht hat die von Philippe Marchand eingebrachte Gesetzesänderung zum Kampf gegen illegale Einwanderung für verfassungswidrig erklärt. Marchand wollte eine gängige Praxis legalisieren, nach der Ausländer ohne Einreiseerlaubnis wochenlang in sogenannten „Transitzonen“ festgehalten werden. Unerwünschte Ausländer oder Asylbewerber sollten danach im Bereich von Flug- und Seehäfen zwanzig Tage lang ohne richterliche Kontrolle in abgetrennten Zonen festgehalten werden können; mit Zustimmung des Verwaltungsgerichtes sollte die Festnahme sogar um weitere zehn Tage verlängerbar sein. Laut Verfassungsgericht darf es aber in Frankreich keine Zonen geben, in denen französisches Recht ausgesetzt ist.
Bislang können Ausländer, die abgeschoben werden sollen, bei „absoluter Notwendigkeit“ mit Zustimmung eines Richters maximal sieben Tage festgehalten werden. Lager mit langen Wartezeiten bleiben also illegal. Marchand muß nun ein neues Gesetz vorlegen.
Der in Frankreich als „Gesetz Marchand“ bezeichnete Gesetzentwurf hatte den Sozialisten viel Bauchweh bereitet. Und laut Nationaler Menschenrechtskommission war er „unbefriedigend in ethischer, juristischer und rechtlicher Hinsicht“. Die Regierung hatte aber das Annahmeverfahren sogar beschleunigt. Nachdem Premierministerin Cresson versprochen hatte, das Gesetz dem Verfassungsgericht vorzulegen, stimmten die sozialistischen Abgeordneten zu.
Wenige Tage später, am 25. Januar, gingen jedoch Zehntausende gegen Rassismus in Frankreich auf die Straße. Die Kundgebung richtete sich ausdrücklich auch gegen die Einwanderungspolitik der Regierung und insbesondere gegen Marchand. Namhafte Sozialisten wie der alte und der neue Parteichef, Mauroy und Fabius, die mitmarschierten und den Protest für ihre Partei vereinnahmen wollten, mußten die Fahne wieder einrollen.
Das Verfassungsgericht hat längst nicht alle Sorgen der Einwanderer beseitigt, denn in dem Urteil heißt es, ein Asylbewerber könne in einer Transitzone festgehalten werden, falls sein Anliegen „eindeutig unbegründet ist“. Sechs Ausländer kämpfen unterdessen gegen diese Behandlung, sie haben gegen die „willkürliche Freiheitsberaubung“ geklagt. Der Innenminister war am Mittwoch vor Gericht geladen.
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