Aserbaidschaner überfallen GUS-Armee

Immer mehr GUS-Truppen werden in den Kampf um Nagorny-Karabach verwickelt/ Die vom Iran initiierte 25stündige Feuerpause wurde nicht eingehalten/ Aserbaidschan lehnt Vermittlung ab  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

In den letzten Tagen greifen aserbaidschanische Freischärler und Truppen des Bakuer Innenministeriums gezielt Kasernen von GUS-Truppen im Kaukasus an. Bei einem Überfall auf ein Waffendepot in der Stadt Agdam erbeuteten die Aseris 57 Maschinengewehre der Marke Ak-74 mit Munition und 22 Pistolen. Die Soldaten wurden in einen Bus verladen und abtransportiert, einige Waggons Granatwerfer Munition wechselten den Besitzer.

Derartige Berichte gehören im Kampf um die auf aserbaidschanischem Territorium gelegene armenische Enklave Nagorny-Karabach mittlerweile zur Tagesordnung. Insgesamt sollen die aserischen „Verbände“ in jüngster Zeit acht Megatonnen Munition geraubt haben. Das entspricht der Sprengkraft einiger Atombomben. Es reiche aus, um die Kaukasusregion auszulöschen, hieß es in armenischen Zeitungen.

Bisher waren die Kommandohöhen des kaukasischen Wehrkreises darum bemüht, nicht in den Konflikt einzugreifen. Dagegen haben Soldaten einiger Einheiten unlängst Protest erhoben. Die 366. Motorschützen-Einheit erhielt daraufhin die Erlaubnis, im Verteidigungsfall zurückschießen zu dürfen.

Die Friedensbemühungen des aserbaidschanischen und armenischen Außenministers vergangene Woche haben derweil noch nicht gefruchtet. Auch eine von iranischer Seite initiierte 25stündige Feuerpause, die eine Delegation unter Leitung des iranischen Außenministers Velayati für Vermittlungsversuche nutzen sollte, wurde nicht eingehalten. Von armenischer Seite hieß es: „Über was für einen Waffenstillstand reden wir, wenn Velayati in einer Vermittlungsmission hierherkommt, aber nur mit einer Seite gesprochen hat?“

Baku dagegen stößt übel auf, daß Präsident Jelzin zwar mit Armenien einen Vertrag über beidseitige Zusammenarbeit abgeschlossen hat, die Unterzeichnung eines gleichlautenden Vertrages mit Aserbaidschan aber seit Monaten hinausschiebt. Den Einsatz einer GUS-Friedenstruppe unter russischer Führung lehnt Aserbaidschan strikt ab. Die halbe Million Russen in Aserbaidschan warfen ihrer Regierung in Moskau vor, eindeutig die Partei Armeniens zu ergreifen. Moskau hat auch die „Überführung“ der 4. Armee in die Verantwortlichkeit Bakus bis auf weiteres ausgesetzt.

Auf die inneren Spannungen in Aserbaidschan läßt unterdessen die dritte Auswechslung des Verteidigungsministers innerhalb der letzten fünf Monate schließen. Alle Minister mußten ihren Hut nehmen, nachdem die nationalistische Opposition ihnen Schwäche im Umgang mit dem armenischen Feind vorgehalten hatte.