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Nicht zur Abschreckung!

■ Gesellschaft für Sprachwissenschaft tagte in Bremen / Gemeinsamkeiten zwischen Kontinenten

Man sollte sich von den Titeln nicht abschrecken lassen! Vorträge wie „Prosodische und tonale Parameter der Disambiguirung syntaktischer Strukturen“ wurden drei Tage lang in der Universität Bremen zur 14. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft gehalten. Dreihundert in- und ausländische SprachwissenschaftlerInnen und SoziolinguistInnen kamen zum Schwerpunktthema „Sprachliche Universalien“ zusammen, um Forschungsergebnisse aus den unterschiedlichsten Sprachkulturen vorzustellen.

Was für Laien nach akademischem Elfenbeinturm und geisteswissenschaftlicher Folterkammer riecht, ist nach Ansicht von Johannes Bechert, Bremer Professor für Linguistik und Mitveranstalter der Tagung, keinesfalls so lebensfern, wie es sich anhört. Die SprachforscherInnen gingen der Frage nach, ob und in welchem Umfang strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen den hunderten Sprachen und tausenden Dialekten dieser Welt bestehen, eine Mammutaufgabe, der man sich in rund achtzig Einzelbeiträgen widmete. So bietet beispielsweise allein schon die Frage, warum ausgerechnet das Türkische und das Ungarische viele sprachliche Gemeinsamkeiten aufweisen, obwohl keine ethnische Verwandtschaft zwischen beiden Völkern besteht, hinreichend Stoff für akademische Kärrner-Arbeit. Bei der Bremer Jahrestagung wurden folglich auch zahlreiche regionale Srachstudien aus den entlegensten Winkeln der Welt vorgestellt, so etwa über die Erzähltechniken nigerianiscer Stammeskulturen oder über das Kausalgefüge südkaukasischer Sprachen. Nach derzeitigem Forschungsstand halten es die Linguisten für denkbar, daß die Bibelgeschichte von der babylonischen Sprachverwirrung weit mehr ist als ein religiöses Gleichnis, sondern im Hinblick auf die sprachliche Ausdifferenzierung der Menschheit erstaunliche Plausibilität besitzt.

Die vielfachen Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedensten Sprachen, die LinguistInnen bisher ausgemacht haben, legen die Vermutung nahe, daß es in der Frühezeit des homo sapiens eine kleine homogene Menschengruppe gab, die eine einheitliche Sprache hatte und aus der sich alle darauffolgenden Sprachdifferenzierungen ableiten und erklären lassen. In gemeinsamer Arbeit mit Genforschern haben die Linguisten ihre Theorie der sprachlichen Ur-Substanz mittlerweile erhärten können: Sprach- und Genvergleiche sprechen dafür, daß alle heutigen Sprachen und Dialekte von einer kleiner Menschengruppe abstammen, die vor etwa 150.000 Jahren im Herzen Afrikas lebte. Professor Wolfgang Wildgen, Soziolinguist an der Uni Bremen, ist überzeugt, daß besonders andere wissenschaftliche Disziplinen wie die Psychologie, die Neurologie und die Genetik von lingistischen Erkenntnissen über sprachliche Universalien profitieren werden. Beispielsweise liefert die Linguistik mittlerweile wichtige Erkenntnisse zur medizinischen Erforschung von Sprachstörungen: Durch die Analyse der grammatikalischen Satzkonstruktionen sprachgestörter Menschen können die Mediziner Rückschlüsse auf die neurologischen Störungen im Gehirn ziehen.

Zahlreiche Sprachwissenschaflerinnen beschäftigen sich auch mit der Benachteiligung von Frauen in den unterschiedlichsten Weltsprachen. Die soziolinguistische Geschlechterforschung, die ein weiteres Schwerpunktthema der Bremer Jahrestagung bildete, kommt dabei zu dem Ergebnis, daß diese Benachteiligung beileibe keine alleiniges Phänomen der deutschen Sprache darstellt, sondern auch in vielen anderen Sprachen zu beobachten ist. Ob es sich hierbei um kulturspezifische oder universale Mechanismen handelt, wurde im Rahmen der Tagung ebenfalls kontrovers erörtert. Gabriele Mittag

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