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EG soll Finnlands Wirtschaft heilen

Regierung wird noch im März Antrag auf EG-Beitritt stellen/ Zustimmung des Parlaments gilt als sicher  ■ Aus Helsinki Reinhard Wolff

Die Zahl der Länder, die schnellstmöglich EG-Mitglied werden wollen, hat sich um eines erhöht. Am Donnerstag abend beschloß die finnische Regierung, daß ein Beitrittsantrag des Landes noch im März in Brüssel abgegeben werden sollte. Am 18.März muß sich die Regierung das Beitrittsgesuch vom Parlament noch absegnen lassen — was angesichts klarer Pro-EG-Mehrheiten als Formsache gilt.

Der Beitrittsantrag werde kurz und bündig sein, hat die Regierung Aho angekündigt: irgendeine Rückversicherung oder einen Vorbehalt zur politischen Neutralität des Landes werde es nicht geben. Finnland wolle allerdings auch in Zukunft die Neutralität zur Richtschnur seiner Außenpolitik machen. Eine Neutralitätspolitik, die nunmehr nur noch wie folgt definiert wird: „Allianzfreiheit und selbständige Verteidigungspolitik“. Daß sich Finnland diese vor einigen Monaten noch unvorstellbare Freiheit nehmen kann, hat natürlich mit dem Ende der Sowjetunion zu tun. Der jahrzehntelang die volle Souveränität behindernde „Freundschafts- und Beistandsvertrag“ ist im Archiv abgelegt worden.

Haben die Vorgänge im Osten den Weg nach Brüssel möglich gemacht, stellt die Regierung ihn aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Landes als unumgänglich dar: Ohne die EG komme die finnische Wirtschaft nicht auf die Beine. Seit dem Wegfall des Außenhandels mit der UdSSR, der in den besten Zeiten 25 Prozent des gesamten finnischen Außenhandels abdeckte, hat sich die Industrie des nordischen Landes noch nicht auf neue Märkte umstellen können. Die aktuellen Arbeitslosenzahlen (14 Prozent), vor allem aber die Steigerungsraten (140 Prozent gegenüber dem Vorjahr) haben der Regierung das handgreiflichste Argument für einen schnellen Beitrittsantrag geliefert.

KritikerInnen halten es allerdings für eine Illusion, von einem EG-Anschluß ein Wunder für die am Boden liegende Wirtschaft zu erwarten. Mögliche positive Tendenzen im industriellen Sektor würden durch das Abbrechen weiter Bereiche der jetzt mit rekordhohen Staatssubventionen über Wasser gehaltenen Landwirtschaft mehr als weggebügelt werden. Und ausländische Investoren würden weniger neue Arbeitsplätze schaffen, sondern eher in aufgekauften finnischen Firmen weiter auf deren Kosten rationalisieren.

Im Parlament können die NeinsagerInnen nur auf die — ehemals kommunistische — Linkspartei und Teile der Grünen zählen. Ansonsten sind sich Konservative, Liberale und Sozialdemokraten mit ihrem Ja zur EG — fast — einig. Das Zentrum, Partei des Ministerpräsidenten Aho und noch stark im ländlichen Milieu verankert, ist gespalten.

Die schnelle Entscheidung der Regierung — noch vor einem halben Jahr hatte man es in Helsinki angeblich überhaupt nicht eilig — dient offensichtlich gerade auch dazu, eine längere innenpolitische Diskussion über das Für und Wider eines EG- Beitritts zu verhindern. Die letzten Meinungsumfragen haben nämlich gezeigt, daß sich mit wachsender Information über die vermutlichen Auswirkungen einer EG-Mitgliedschaft auch die Fronten in der Öffentlichkeit verhärten. Einerseits stieg zwar erstmals die BefürworterInnenquote knapp über die Fünfzig- Prozent-Marke. Auffallender ist aber der Abbau des Blocks der Unentschlossenen hin zum Nein-Lager: Dieses kommt mittlerweile auf knappe vierzig Prozent — vor einigen Monaten waren es nicht einmal zehn Prozent.

Ein schnelles Ja soll „norwegische Zustände“ vermeiden. Dort wird heftig und verbittert seit 20 Jahren über einen EG-Beitritt gestritten, mit dem Erfolg, daß sich zwei etwa gleich starke Blöcke in Bevölkerung und Parlament gegenseitig blockieren: Das städtische und indutrielle Norwegen und dessen Parteien wollen hin zu Brüssel, das ländliche und fischereiorientierte Norwegen sagt nein. In Oslo sprach Ministerpräsidentin Brundtland dann auch prompt von einer gefährlichen Isolierung, die Norwegen jetzt drohe. Das Ja der Nachbarländer Schweden und Finnland wird aller Voraussicht nach dazu führen, daß es auch Norwegens Regierung plötzlich ganz eilig haben und noch in diesem Jahr in Brüssel anklopfen wird.

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