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Musik für den Kurfürsten

■ Unbekannter Bach: h-Moll-Messe in der Philharmonie

Man kann auch Bach neu entdecken: Gelegenheit dazu bot am Donnerstag der RIAS-Kammerchor in der »kleinen« Philharmonie. An der h-Moll- Messe, Mitte des 18. Jahrhunderts in der letzten Lebensphase Johann Sebastian Bachs entstanden, haben sich schon viele probiert: von Riesenchören bis zur allerkleinsten solistischen Besetzung. Nun auch der 36köpfige RIAS-Kammerchor.

Eine komplette Messe also, von 27 Sätzen für Chor, Solisten und Orchester, die alle Ausdrucksformen der Bachschen Musik zeigt. Teile davon bot der unzufriedene Thomaskantor im Jahr 1733 per Post dem sächsischen Kurfürsten Friedrich August II an. Er erhoffte sich damit — und bekam schließlich — den Titel eines »Königlich-polnischen und kurfürstlich-sächsischen Hofkompositeurs«.

An Dynamik und Präzision läßt der RIAS-Kammerchor nichts zu wünschen übrig. Nach der atemberaubenden Fuge »pleni sunt coeli...« drängt sich ein Gedanke auf: Bach als erster Jazzer. Vielleicht ist das ein Grund dafür, daß sein Publikum heute nicht mehr nur zufriedene Bildungsbürger und Musikstudenten sind, sondern Menschen, die wirklich etwas Neues hören wollen. Es spielte das Freiburger Barockorchester mit historischen Instrumenten, Traversflöte, fünfsaitigem Baß und wunderbarem Naturhorn — diese Stimmung hört man noch viel zuwenig in Berlin, wo zu lange die Philharmonik Karajans wütete.

Mehrmals läßt der Dirigent Thomas Hengelbrock Arien solistisch auskosten, nur SängerInnen, Instrumentalsolisten und Continuo kommen dann ganz ohne Dirigenten aus. Am besten gelingt ihm das im »Qui sedes« für Altstimme und Oboe d'amore. Die einzige »echte« Männerstimme Peter Harvey war durch die barocke, nämlich tiefere Stimmung am meisten gefordert, während Nancy Argenta (Sopran), Michael Chance (Countertenor) und Christoph Prégardien (Tenor) es eher leichter hatten. Die Idee, die Alt-Arien von einem Countertenor singen zu lassen, ist sicher originell, aber an eine Frauenstimme reicht ein noch so trainierter Countertenor nicht heran. Spätestens im »Agnus dei« war zu merken, daß eine echte, das heißt weibliche Altstimme eben doch mehr vermag. Das aber trübte die Freude über die Schönheit und Intensität dieses angeblich altbekannten, unerhörten Werks überhaupt nicht. Martinus Schmidt

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