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Bremens „Volks-Vulkan“ auf dem Weg zum VEB

■ Warum der Bremer Technologiekonzern „Vulkan“ sich die Ostseewerften einverleiben will/ Ran an die Subventionstöpfe für die neuen Länder!

Seitdem in Wismar und Rostock die Betriebe symbolisch besetzt sind, steigen beim Bremer „Vulkan“ die Aktien — aber nur ganz vorsichtig: 80,20 Mark notierten die Börsen am 20.2., 82,90 am 25.2., 84 Mark waren es drei Tage später, am vergangenen Freitag. Der Vulkan ist eben kein normaler Konzern, und Ostgeschäfte sind keine normalen Geschäfte. Insofern passen die beiden zusammen — schon vor Jahren spottete die 'Wirtschaftswoche‘ über den „Volks-Vulkan“.

Jahrelang suchte die Bremer Werft ihre Überlebenschance im Wachstum. Inzwischen gehören über 14.500 Arbeitskräfte zu dem Technologiekonzern, im Schiffbau arbeiten nur etwa 2.000 davon. Der Umsatz für 1991 wird mit 3,5 Milliarden DM angegeben. Finanziert hat der Vulkan seine Akquisitionen durch insgesamt sieben Kapitalerhöhungen seit 1983, das Eigenkapital stieg auf 732 Millionen Mark. In Hintergrund standen immer staatliche Gelder und Bürgschaften.

Die Geschäftsstrategie des Vulkan beflügelt deshalb immer wieder die Phantasie der Journalisten, die zwischen Bewunderung und Skepsis schwanken. Wenn die deutsch-französische Rüstungskooperation stockt, ist der Vulkan betroffen. Wenn Möllemann die Schiffbauhilfen kürzen will, steht Vulkan-Vorstand Friedrich Hennemann auf der Matte. Wenn in die Meeresforschung investiert werden soll im Namen des Umweltschutzes, bietet der Vulkan aus der ersten Reihe mit, wenn in Bonn über einen „Konversionsfonds“ für die von der Abrüstung bedrohten Industriebetriebe verhandelt wird, geht es nicht unwesentlich um den Vulkan.

Im modernen Schiffbau sind die Außenbleche längst Nebensache, mit den technologischen Ausrüstungen wird das Geld verdient und wird der Qualitätsmaßstab gesetzt — dieses Konzept, das auch der Daimler-Konzern für seine Rüstungs- und High-Tech-Akquisitionen anführt, steht auch hinter der Vulkan-Strategie.

Nur einen Subventionstopf kann der Konzern bisher für sich nicht anzapfen: den der neuen deutschen Länder. Und da dorthin ein Löwenanteil der Fördermittel und Aufträge in den nächsten Jahren fließen, ist es geradezu natürlich, daß der Vulkan seine Fühler kräftig ausstreckt, um bei der Verteilung der Aufträge an den Schalthebeln zu sitzen. Die Schweriner CDU/FDP-Koalition hat zur Unterstreichung dieser Furcht einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß eingesetzt, der die Modalitäten bei der Vergabe eines 600-Millionen- Schiffsauftrages aus dem Jahre Mai 1990 untersuchen soll. „Schmiergelder“ ist das böse Wort, das in Schwerin umgeht. Beweisen kann das bisher niemand, aber es bringt den Vulkan in schlechtes Licht. Mit einem großzügigen Angebot hat der Vulkan dagegengehalten: Er verspricht ein Konzept für den Erhalt von 2.290 Arbeitsplätzen in Wismar und 2460 in Warnemünde/Rostock. Daß deshalb die IG Metall die Arbeiter für den Vulkan auf die Barrikaden treibt, ist verständlich.

Dagegen nehmen sich die anderen Angebote, die der Treuhand gemacht wurden, bescheiden aus: der Norwegische Schiffbaukonzern Kvaerner will die Warnemünder Betrieb ohne Neptun/Rostock übernehmen und nur 1.860 Arbeitsplätze garantieren, MAN B&W möchte die Rostocker Dieselmotorenwerke, für den Vulkan bliebe dann nur die Wismarer Mathias-Thesen-Werft.

Bonn wird derweil auch das Kleingedruckte des großen Vulkan-Angebots gelesen. Eine knappe Milliarde an Investitionen, Beteiligung der öffentlichen Hand an dem Unternehmen zu 49 Prozent, Übernahme von Altlasten und Risiken durch den Staat in Höhe von mindestens zwei Milliarden, Bilanzgarantie, Liquiditätsgarantie...

In der vergangenen Woche war Vulkan-Vorstand Hennemann in Bonn, um für sein Konzept zu werben. Den kleinlichen Argumenten der Konkurrenz norddeutscher Gemeinden pflegt der Sozialdemokrat das Szenario der weltweit operierenden Schiffbau- und Technologiekonzerne entgegenzuhalten, die mit wirtschaftsliberalen Kategorien nicht mehr zu beschreiben sind: In dem Machtkampf um die Weltmärkte gibt es nur ganz große. Ob das dem Kanzler eingeleuchtet hat, wird vielleicht am 17. März deutlich, wenn die Treuhand einen zweiten Anlauf zur „Privatisierung“ der ostdeutschen Werften nimmt. Klaus Wolschner, Bremen

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