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Stasi-Hysterie?

■ betr.: "Die Archive dürfen nicht geschlossen werden", "Trauer und Respekt", taz vom 19.2.92

betr.: „Die Archive dürfen nicht geschlossen werden“ (Interview mit Wolfgang Ullmann), „Trauer und Respekt“ Gastkommentar von Jürgen Fuchs, taz vom 19.2.92

„Plebiszitärer Hexensabbat“, „maßlose Stasi-Debatte“, „Menschenhatz“ und gar „peinliches Pharisäertum“ — diese Begriffe und Schlagzeilen beherrschen derzeit unsere Medienlandschaft. Gemeint ist unser gesamtdeutscher Umgang mit der Stasi-Vergangenheit der DDR. Der Selbstmord des PDS-Abgeordneten Riege setzte einen neuen (und wohl nur vorläufigen) Höhepunkt in der Diskussion.

Die Stimmen, die einen neuerlichen Verschluß der Akten fordern, werden lauter. Das Scheinargument, es finde eine „Menschenhatz“ statt, zieht enorm. Mir scheint hier eine fatale Verquickung zweier Probleme vorzuliegen.

Da ist zum einen die Rolle der Medien, die zu Recht kritisiert wird. Sensationslust gepaart mit miesen Recherchen spotten jeglicher journalistischer Berufsehre. Der „Medienkrieg“ dieser Wochen ist nicht dazu angetan, die Stasi-Verstrickungen und Verbrechen aufzudecken, durchschaubar zu machen und ihnen so ihren Schrecken zu nehmen. Das Geschrei nach Beendigung der gerade erst begonnenen Debatte scheint mir jedoch im wesentlichen eine andere, äußerst bedenkliche Ursache zu haben: die Solidarität mit den Tätern und eine nochmalige Verhöhnung der Opfer.

Die ganze Wahrheit muß schnellstens ans Licht. Anders wird es keine Chance auf einen wirklichen Neubeginn geben, ein verbrecherischer Verein würde wieder einen Sieg mehr verbuchen können. Und diese Wahrheit wird noch sehr weh tun. Sie muß aber nicht nur im Falle des „kleinen“ IM ans Licht, sondern ebenso und gerade im Fall des „großen“.

[...] Seit Herbst 1989 hatte jeder die Möglichkeit und Chance, seine Verstrickungen offenzulegen. Die meisten taten es nicht, „wußten nicht“, „hatten vergessen“, „taten aus Überzeugung“ ...und hofften sich herausmogeln zu können.

Und wenn die schreckliche Wahrheit doch herauskommt, macht sich Entsetzen breit. Plötzlich wird der Täter in Schutz genommen, die Enttarnung wird als Beleidigung oder gar „Hatz“ empfunden. Nach den Opfern fragt keiner mehr, sie stören nur. Mutige Leute, wie etwa Wolf Biermann, werden als Nestbeschmutzer beschimpft. Fatale Parallelen zum Umgang mit der Nazi-Vergangenheit zeigen sich auf. Gerlinde Hoefert, Ilmenau

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