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Krause und Gomolka angeblich einig

■ Die Werftenkrise in Mecklenburg-Vorpommern weitet sich aus und erreichte gestern auch Bonn/ FDP ist sauer: Kohl soll seinen Bundesverkehrsminister zur Ordnung rufen/ Läuft Günther Krause „Amok“?

Schwerin (ap/dpa/taz) — Der Streit zwischen CDU und FDP über die Werftenkrise in Mecklenburg-Vorpommern schlägt inzwischen Wellen bis nach Bonn. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Hermann Otto Solms, warf am Montag Bundesverkehrsminister Günther Krause einen Verstoß gegen die Koalitionslinie vor und forderte Bundeskanzler Helmut Kohl auf, „Herrn Krause zur Ordnung zu rufen“. Krause befinde sich „im Widerspruch zur abgestimmten Meinung in Bundesregierung und Koalition“, wenn er für die Zusammenfassung der Betriebe eintrete. Es sei erklärter Wille der Bundesregierung, keine Staatsholding zu bilden, weil dies Monopolbetriebe wären, bei denen der Wettbewerb ausgeschaltet würde. Solms meinte, es wäre „auch im Interesse der Arbeitnehmer falsch, eine Gesamtholding zu bilden“.

Der CDU-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Alfred Gomolka, räumte gestern in der Landeshauptstadt Schwerin zwar konträre Ansichten der CDU zum Privatisierungskonzept des liberal geführten Schweriner Wirtschaftsministeriums ein. Die Koalition sei dadurch aber nicht in Frage gestellt. Krause trat seinerseits Gerüchten entgegen, er wolle Gomolka aus dem Amt drängen. „Wir sind gemeinsam angetreten, damit der eine in Schwerin und der andere in Bonn Politik zum Wohl Mecklenburg-Vorpommerns machen“ könne, erläuterte er seine durchaus diskussionswürdige Amtsauffassung als Bundesminister.

Im ARD-Fernsehen hatte der Schweriner Wirtschaftsminister Conrad-Michael Lehment (FDP) Sonntag abend seinen Kurs verteidigt, die Betriebe an unterschiedliche Interessenten zu verkaufen. Eine sogenannte Verbundlösung stieße wahrscheinlich auf Bedenken der EG. Auch sei nicht gesagt, daß bei einer — von den Werftarbeitern heftig abgelehnten — Einzelprivatisierung weniger Arbeitsplätze übrigblieben. Im regionalen Rundfunk betonte der FDP-Mann, er sehe keinerlei Veranlassung zum Rücktritt, nur weil ein Bundesminister in Mecklenburg- Vorpommern „Amok“ laufe.

Nachdem am Wochenende Verkehrsminister Krause mit seinen Auftritten vor Werftarbeitern in der Landes-CDU für einige Irritationen gesorgt hatte, zeigte er sich gestern einträchtig mit Gomolka vor der Presse. Das von Krause vorgeschlagene Verbundkonzept sei kein Alleingang, sondern angeblich „bereits vor zwei Wochen im Landesvorstand beschlossen“ worden, hieß es plötzlich. Die Lösung eines Werftenverbundes sei aus der Sicht der Landespartei die einzige Chance, eine funktionierende Schiffbauindustrie mit möglichst vielen Arbeitsplätzen langfristig zu erhalten. Von den vier diskutierten Sanierungsmodellen sei nur die „vierte Lösung“, ein auch vom Land mitgetragener Werftenverbund unter Beteiligung west- und ostdeutscher sowie eines norwegischen Konzerns, sinnvoll.

Dagegen forderte der Chef des IG-Metall-Bezirks Küste, Klaus Teichmüller, das vom Aufsichtsrat der Deutschen Maschinen- und Schiffbau AG (DMS) und der Treuhandanstalt beschlossene Modell eines Werftenverbundes unter der Leitung der Bremer Vulkan AG zu verwirklichen.

Unterdessen dehnten sich die Proteste der Werftarbeiter gestern weiter aus. Nachdem auch die rund 3.400 Beschäftigten der Neptun- Warnow-Werft ihren Betrieb blockierten, sind jetzt die drei Werftstandorte Wismar, Rostock und Warnemünde sowie das Rostocker Dieselmotorenwerk von den insgesamt fast 10.000 Beschäftigten besetzt. Die Arbeiter der Wolgaster Peenewerft erklärten in Wismar, sie würden ihre Werft möglicherweise am Dienstag ebenfalls besetzen.

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