: »Wir haben halt Spaß am Vernetzen«
■ »Förderband e.V. Kulturinitiative Berlin« vernetzt und berät soziokulturelle Projekte in Berlin und Brandenburg/ Das Ostberliner Pendant zum Westberliner »Netzwerk« fungiert auch als Träger für AB-Maßnahmen bei derzeit 86 Projekten
Mitte/Prenzlauer Berg. »Wir Ostberliner haben halt andere Denkstrukturen«, stellt Katrine Cremer fest, die temperamentvolle Vorstandsvorsitzende von »Förderband e.V. Kulturinitiative Berlin«. Um ihre Worte zu unterstreichen, beschreiben ihre Hände wilde Bögen durch die Luft, daß die Armreifen klirren. Die »anderen Denkstrukturen« sind für sie vor allem ein grundsätzlich anderes Verständnis von Kultur. Denn Förderband, das am 1.Februar 1990 dem Vernehmen nach als allererster Verein in der DDR ins Register des Innenministeriums eingetragen wurde, ist als Instanz der Projekteförderung das Ostberliner Pendant zum Westberliner »Netzwerk« und ist es aus den obigen Gründen eben doch wieder nicht. Am Anfang, erinnert sich Katrine Cremer, habe es »ein unschönes Gespräch« mit Netzwerk gegeben: »Die haben uns erklärt, mit Kultur hätten sie nichts im Sinne. Ich hab' das nicht kapiert — Kultur umgreift doch alles: den menschlichen Umgang untereinander, mit der Natur, mit gesellschaftlichen Randgruppen wie Kindern oder Ausländern.« Inzwischen allerdings ist die Zusammenarbeit mit den NetzwerkerInnen solidarisch und produktiv: Netzwerk gehört zu den rund fünfzig Projekten, die Mitglied im Förderband-Verein sind.
Die 28jährige Förderband-Frau Vera Czollek gehört zum Beirat von Netzwerk. Sie ist gelernte Journalistin. Die 38jährige Katrine Cremer kommt hingegen aus dem Kulturbereich. Nach fünfzehnjähriger Arbeit als Bühnen- und Kostümbildnerin im »Berliner Ensemble« wollte sie im Herbst 1989 endlich »was Eigenes, Unabhängiges« machen. In Pankow fand sie zusammen mit einer Regisseurin eine verrottete Tanzhalle, die man zu einem wunderbaren Theatersaal hätte umbauen können. Aber: Wer kann schon fünf Millionen für die Restaurierung ausgeben? Wenig später erfuhr sie vom geplanten »Pfefferberg«-Projekt in Prenzlauer Berg, »und dann hatten wir schon zwei solche Monster am Hals«.
Arne Fellien, heute ebenfalls zur »Förderbande« gehörend, damals aber noch Sprecher der Bauinitiativen in Prenzlberg, hatte die entscheidende Idee: Um nicht länger vom »Magisenat« gegeneinander ausgespielt zu werden, müßten sich die Projekte und Initiativen zu einem Verein zusammentun, um mit einer Stimme zu sprechen und »geballte Forderungen« zu stellen.
Das Pankower Theaterprojekt scheiterte schließlich doch, aber mit der Unterstützung prominenter Vereinsmitglieder wie Stephan Hermlin und Heiner Müller im Rücken gaben Katrine Cremer und ihre MitstreiterInnen im Dezember 1989 in Zeitungsannoncen bekannt, Förderband sei gegründet worden. »Die Resonanz war enorm«, erinnert sie sich und klimpert voller Freude mit den Armreifen, »unheimlich viel Leute aus der ganzen DDR, Bildhauer, Architekten, Theaterleute, schrieben uns.« Aber nicht nur Briefe, auch immer mehr Menschen schneiten in ihre Wohnung, das Chaos wuchs, »und schließlich hat meine eigene Tochter nicht mehr mit mir gesprochen, weil ich nur noch am Telefonieren war«. Bei allem Aktionismus geriet sie im Frühjahr 1990 jedoch reichlich ins Grübeln, als ihr ein linker Filmemacher an den Kopf warf, die kranken Kinder im ökologischen Notstandsgebiet Schwarze Pumpe seien ihm »wichtiger als die ganze Kultur«. Sie begann »über den erweiterten Kulturbegriff« von Förderband nachzudenken«, in dem es »keinen Unterschied zwischen Hoch-, Sozio- und Randgruppenkultur gibt«.
Dieses Nachdenken materialisiert sich seit November 1991 auch in einer Zeitschrift mit dem wohlklingenden Namen 'Triangel‘ — das Symbol der Triangel steht für das imaginäre Beziehungsdreieck zwischen den drei Kulturen. Bislang sind unter Federführung von Vera Czollek trotz des chronischen Geldmangels zwei Nummern herausgekommen, je 10.000 Exemplare wurden in der Berliner und Brandenburger Kulturlandschaft verteilt. Neben eher theoretischen Reflexionen, was »Soziokultur« denn nun eigentlich verdammt noch mal sei, finden sich Selbstdarstellung von Projekten, Kulturtips oder unendliche Geschichten von unendlichen Versuchen, in Ost-Berlin ein paar ABM- Stellen zu bekommen. Ein ABM-gestützter Artikel über ABM-Projekte, veröffentlicht in einer ABM-Zeitung, koordiniert von einer ABM- Journalistin. Das Leben selbst hat ihn geschrieben, denn im Osten ist das ganze Leben eine ABM-Maßnahme. Leider.
Und damit stehen wir mitten im Zentrum der Probleme von Förderband: Mit sechzehn ABM-Stellen und drei ABM-sachmittelunterstützten dezentralen Läden in der Rosenthaler Straße 50, der Steinstraße 8 und der Auguststraße 34 (ebenfalls ein ABM-Projekt) hat Förderband anders als Netzwerk keine Knete zu verteilen, sondern spielt selbst wiederum den Trägerverein für derzeit 86 ABM-Stellen in verschiedenen Projekten. Wenn man die neu beantragten hinzurechnet, sind es sogar 110 ABM-Stellen.
Aber: An Silvester 1992 — na denn Prost! — ist fast alles vorbei. Das »Förderband« in seiner jetzigen Form wird stillstehen, weil seine Stellen auslaufen, und auch für viele andere ABM-Projekte wird das Sterbeglöckchen leise läuten. Vera Czollek und Katrine Cremer ist die Problematik solcher kurzfristigen Stellen schon bewußt, aber derzeit gibt es dazu keine Alternative: ohne ABM gar keine Kultur, zumindest keine Kultur von unten.
Und da sind nicht wenige originelle Projekte, die dem Verein beigetreten sind und/oder sich vom »Förderband« auf der »Beratungsstrecke« transportieren lassen, sprich: sich dort juristischen und arbeitsorganisatorischen Beistand oder Hilfe zur Erstellung von Veranstaltungskalendern holen können. Die »Gemeinschaft Rosenwinkel Ausbau Fünf G.R.A.F. e.V.« nordöstlich von Berlin beispielsweise macht sich für »sanften Tourismus« stark und plant wie schon im Vorjahr auch für diesen Sommer das »Kunstprojekt Nebenstrecke«: Zugfahrende zwischen Rosenwinkel und Blumenthal sollen mit einem Panorama künstlerischer Objekte an der Bahnlinie entlang überrascht werden.
Und die Initiative »Bülowssiege« schaffte es, das ganze gleichnamige Dörflein im Brandenburgischen unter Denkmalschutz stellen zu lassen, nun sollen dort Werkstätten aufgebaut werden. Mitglied bei Förderband sind aber auch bekanntere Projekte wie zum Beispiel das Tacheles, das Kino Babylon oder das »Pfefferwerk e.V.«.
Sie alle können sich, wenn sie wollen, von Förderband durch ein »Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm« schleppen lassen. Manche Programmpunkte harren allerdings noch der Realisierung: Katrine Cremer möchte krisengeschüttelte OstkünstlerInnen, die nun »zu Hause sitzen und weinen«, per Qualifizierungskurs für Schul- und Umweltprojekte gewinnen. Im trostlosen Hellersdorf zum Beispiel, erzählt sie, dort, wo die Gewalt wächst, stellt ein Künstler zusammen mit Kindern »Recycling-Plastiken« her. Aber, so warnt sie auch, »wir sind keine Heilsbringer, wir können uns nicht in irgendein Neubaugebiet setzen, die Dinge müssen von unten wachsen.«
Förderband transportiert nur Ideen, damit endlich zusammenwächst, was sich — im Gegensatz zur konkurrenzigen Westprojekteszene— durchaus auch zusammengehörig fühlt.
Das sei eben auch ein wichtiger Unterschied zum Westen, betonen die beiden Förderbandmitglieder Vera Czollek und Katrine Cremer, daß die Ostinitiativen von Beginn an, schon bei den überall in der DDR aufgestellten Runden Tischen, versucht hätten, mit einer Stimme zu sprechen. Deswegen ist Förderband auch heute noch als Interessenvertreter der Projekte in allen wichtigen »Kulturschaltstellen« präsent, im Berliner Kulturrat, im Deutschen Kulturrat, im Kuratorium des Fonds Soziokultur, in der Kulturpolitischen Gesellschaft sowie in der Bundesvereinigung soziokultureller Zentren, die im Oktober einen Kongreß in Berlin plant. »Wir haben halt Spaß am Vernetzen«, strahlt Vera Czollek. Ute Scheub
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