Et kütt wie et kütt

■ Rosenmontag, ARD, 12Uhr

Mit Jecken sollte man bekanntlich nicht spaßen, sondern stracks zum Hautarzt gehen. Ungefährlich ist es, das Treiben dieser exotischen Tierchen via Bildschirm zu verfolgen. In den bereits fern liegenden Tagen unserer Kindheit haben wir das zugegebenermaßen gern getan, doch das harmlose Vergnügen wurde verpatzt von humorlosen Pfaffen, die justament am Nachmittag des Rosenmontags eine dieser bohrend langweiligen Andachten anzusetzen wußten, damit den Gläubigen die Zeit bis zum Aschermittwoch nicht zu lang werde. Wir Minderjährigen erkannten natürlich noch nicht, daß sich karnevalistische und katholische Veranstaltungen im Grunde recht ähnlich sind. Hier wie dort halten Kostümierte eine Büttenrede und werfen nachher olle Kamellen unters Volk.

Für einen nun doch schon nicht mehr ganz so jungen Menschen sind die traditionellen Übertragungen aus Mainz, Düsseldorf und Köln eher arm an Reiz, und der Kommentator Heinz Schweden bleibt allein mit seiner Meinung: „Man kann es nicht oft genug sagen: Das ist genau das, was uns gefehlt hat.“

Ausgezehrt und offenbar auf Turkey waren die Menschen an Rhein und Main, da der Wüstenwüstling Saddam ihnen im letzten Jahr das Fest verdarb. Ergo gab es nunmehr doch schon reichlich alte Witze zu bestaunen, da man ja die alten Gagkutschen nicht ungenutzt verschrotten wollte. Viel und lang hatten die Kommentatoren zu erklären, damit das närrische Fernsehvolk erinnert ward an Schockemöhle-Skandal und Wiedervereinigungseuphorie. Lang waren die Züge, lang war die Weile. Auch die verklemmten Anzüglichkeiten aus dem Off sorgten nicht für Heiterkeit.

Interessant nur die Information, daß die Narren in der Tat zur Frohsinnsform abkommandiert werden: In Köln stecken Bundeswehrsoldaten unter den doppelt mannshohen Witzfiguren und freuen sich über den kasernenfreien Tag, immerhin ein verständliches Motiv für das sinnentleerte Gehabe.

Ob das restliche Völkchen aus naturechten Domstädtern besteht, darf mit Fug bezweifelt werden. Der Chronist weiß von einem Kölner Gewährsmann, daß der sich während der sogenannten tollen Tage in karnevalsresistente europäische Regionen absetzt — der übliche Fastnachtsurlaub macht's möglich.

Und in den ersten, von der Optik eines „cinéma verité“-geschulten Kameramannes eingefangenen Zuschauerreihen sah man Scharen mandeläugiger Besucher aus dem fernen Osten — ist also der Rosenmontag eine Touristenveranstaltung? Dann sollten die an der Übertragung beteiligten Sendeanstalten WDR und SWF erwägen, ob sich die Sendung nicht als Konserve in andere Kontinente verhökern läßt. Ein satter Exotenbonus wäre der Produktion gewiß.

Das Stimmungsbarometer übrigens zeigte den höchsten Wert bei den Impressionen aus dem närrischen Köln — die zugereisten Karnevalisten feiern offenbar so selbstvergessen, so unerbittlich, so besinnungs- und reuelos wie sonst niemand in der Republik. Et kütt wie et kütt, kommentiert der Kölner Volksmund, der es ja wissen muß. Herr Dittmeyer