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»Der Sozialismus wirkt wie eine Droge«

■ Der einstige Chefredakteur des 'Neuen Deutschlands‘ gibt der Charlottenburger Jungen Union Geschichtsunterricht

Der Dokumentarist Sigmar Faust, in den siebziger Jahren wegen »staatsfeindlicher Hetze« in der DDR bespitzelt, verfolgt, zu jahrelanger Einzelhaft verurteilt, hat einen neuen Freund gefunden. Einen, mit dem das Streiten »ungeheuer Spaß macht«, weil der Partner »was begriffen hat«, ja, mehr noch, sich »vom Saulus zum Paulus« gewandelt hat. Dieses Erlebnis wollte Faust am Dienstag abend mit anderen teilen und brachte deshalb den Konvertiten zu einem »Opfer-und- Täter-Gespräch« in die Geschäftsräume der »Jungen Union Charlottenburg« mit. Der Paulus hieß Günter Schabowksi, einst Chefredakteur des 'Neuen Deutschlands‘, Berliner SED-Parteisekretär und Mitglied des Politbüros.

Schabowski ist in der Tat ein interessanter Gesprächspartner, auch wenn das, was er der Jungen Union erzählte, in keinem Punkt neu war. Er ist der einzige Ex-Politbürokratler der hemmungslos aus der »Geschichte gelernt hat«, der außer dem grünen Pfeil nichts aus der alten DDR für würdig findet, in das System der Bundesrepublik übernommen zu werden. Die Planwirtschaft kann nie funktionieren, sagt er, der Sozialismus sei nicht reformierbar, schaffe nur Abhängigkeiten durch »Selbstunterwerfung« und »wirke wie eine Droge«. Nachzulesen ist das alles in seinem Buch Der Absturz, so genannt, weil Schabowksi sich nach seinem Parteiausschluß im Januar 1990 »wie in den Rinnstein geschmissen« fühlte. Erst dieser Schock brachte ihn zum Nachdenken — »Was ist falsch an diesem System?« — und schließlich zu der Erkenntnis: »Alles.« Heute ist es ihm ein »Rätsel, daß es überhaupt noch Linke gibt«.

Und dieses Rätsel teilt er mit den Jung-CDUlern, die wie der Moderator der Veranstaltung, Martin Cronenberg, »den Kommunismus hassen wie die Pest«, aber auch mit Sigmar Faust, der heute hofft, »daß den Utopisten der Bundesrepublik langsam die Luft ausgeht«. Und diese Einigkeit, nur gelegentlich gestört durch bitterböse Zwischenrufe von ehemals DDR-Geschurigelten (»Schämen Sie sich nicht? Sie Gauner!«), war auch das Fatale an der Veranstaltung. Nicht daß die Nachwuchskonservativen die »unbewältigte Vergangenheit« aufarbeiten wollen, ist unglaubhaft, sondern daß sie zum Geschichtsunterricht das Ex-ZK-SED-Mitglied »Paulus« Schabowski einluden und nicht eine Ex-»Saulus«-CDU- Blockflöte. Denkbar wären da etwa der greise Heinrich Toeplitz (bis zum Schluß Präsident des Obersten Gerichts der DDR und maßgeblich beteiligt an 40 Jahren Unrechtsjustiz) oder Gerald Götting (Ex-Vorsitzender, der 1981 die Einführung des Kriegsrechts in Polen begrüßte und bis zum Schluß den Einmarsch der Warschauer- Pakt-Staaten in die CSFR verteidigte). Die beiden haben bloß einen Fehler. Es sind keine Konvertiten, sondern nur Unbelehrbare. aku

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