: Schmalz, Blut, Tränen
■ Über „Wie ein Licht in dunkler Nacht“
Als ich eines Nachmittags 1970 aus dem Kino kam, in dem ich mir die Love Story angeschaut hatte, beschloß ich, neben Monster- auch Liebesfilme zu mögen. Außerdem wollte ich unbedingt so ein Softie wie Ryan O'Neal werden und ich erzählte jedem, daß Ali MacGraw die schönste und beste Schauspielerin aller Zeiten wäre. Der Anlaß dieser jugendlichen Entgleisung waren meine Tränen. Ich war völlig überwältig von den Emotionen, die der Film bei mir ausgelöst hatte. Rotz und Wasser hatte ich geheult, als die blühende Ali MacGraw so grausam aus ihrer perfekt funktionierenden Zweierkiste gerissen und in eine andere Kiste gesteckt wurde. Nun gut, damals war ich 14, inzwischen bin ich um einiges abgestumpfter und falle auf diese kalkulierten Gefühlsduseleien nicht mehr so leicht herein. Schnulzen sind out, Realität ist angesagt — aber gute Liebesfilme mag ich noch immer. Ich kann und will mich immer noch nicht gegen die Schwermut wehren, die mich befällt, wenn ich mir im Fernsehen zum Beispiel Isabelle Huppert in Claude Gorettas Die Spitzenklöpplerin ansehe, meiner Meinung nach der wundervollste und traurigste Liebesfilm der je gedreht wurde.
Die Amerikaner kriegen das mit der Liebe und dem wirklichen Leben irgendwie nicht unter einen Hut. Bei ihnen quillt dauernd diese bonbonfarbene Klebrigkeit aus der Leinwand, und ohne einen handfesten Zoff geht sowieso nichts mehr. Es hilft auch meist nichts, wenn Hollywood das Genre mit einem anderen mischt und einen sogenannten „romantischen Thriller“ fabriziert. David Seltzers Wie ein Licht in dunkler Nacht (Shining Through) ist so ein Zwitter. Die Geschichte spielt 1940: Melanie Griffith spielt, schwer sympathisch, Linda Voss, eine junge deutschstämmige New Yorkerin. Sie lebt mit ihren Eltern in Queens und sorgt sich schrecklich um ihre jüdische Verwandschaft in Berlin. Nachts träumt sie davon, mit einem Fallschirm über der Reichshauptstadt abzuspringen und Tanten und Cousine zu retten. Das Drehbuch hält sich an die Bestsellervorlage von Susan Isaac und schafft Fräulein Voss selbstverständlich nach Deutschland. Dazu braucht sie aber erst einmal einen Mann. Michael Douglas tritt auf und unterbietet die Darstellungskunst aus seinem seriellen TV-Schaffen. Er mimt einen megacoolen Spion. Linda Voss wird zunächst seine Sekretärin und dann (natürlich) seine Geliebte, die so lange bettelt bis sie für ihn im Feindesland spionieren darf. In Berlin angekommen, geht natürlich einiges schief: Nazis, eine hundsgemeine Doppelagentin, Herzschmerz und ihre Naivität machen der armen Linda das Leben schwer, doch wenn's dicke kommt, ist Männe zur Stelle und rettet sie — Ich Tarzan, du Jane.
Melanie Griffith spielt gar nicht schlecht, nur ist es völlig unverständlich, wie aus der cleveren, stolzen Arbeitertochter plötzlich so eine blöde Spionin werden kann, gut, sie hat sich in Michael Douglas verknallt, das dürfte vielleicht als Grund ausreichen. Bester Schauspieler ist der Ire Liam Neeson, der den Nazi- Offizier Dietrich schön unterkühlt rüberbringt. Kameramann Jan de Bont hat alles sauber und korrekt abgefilmt, nur Drehbuchautor und Regisseur David Seltzer hat viel zu dick aufgetragen. Der dramatische Schluß besteht aus fünf Pfund Schmalz und einem halben Liter Blut. Dann schon lieber Love Story, das war noch Schmalz pur.Karl Wegmann
David Seltzer: Wie ein Licht in dunkler Nacht , mit Melanie Griffith, Michael Douglas, Liam Neeson u.a.; USA 1991, 130 Min.
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